Stimmt die islamische Darstellung der Entstehung des Menschen oder hat die Evolutionstheorie sie als falsch entlarvt? In diesem Artikel werden die Kernaussagen der Evolutionstheorie im Lichte der orthodoxen muslimischen Theologie untersucht. Dabei werden wir feststellen, dass die islamische Sicht auf die Evolution weder eine pauschale Ablehnung (wie oft angenommen) noch eine unkritische Akzeptanz ist. Vielmehr sollte die islamische Theologie die Muslime dazu bringen, einen Mittelweg einzuschlagen, wie ich hoffentlich zeigen und beweisen werde.

Dabei gehen wir auch auf einige weit verbreitete falsche Ansichten über die Evolutionstheorie ein (z. B. dass es sich „nur um eine Theorie“ handelt) sowie auf einige erschreckend falsche Vorstellungen, die manche über Gott und die muslimische Theologie haben.

Was diese Diskussion noch brisanter macht als sonst, ist die Tatsache, dass die meisten Wissenschaftler in der Physik und der Kosmologie Argumenten für Gott Gehör schenken, nicht aber in der Biologie, wo der Mainstream davon ausgeht, dass die Evolutionstheorie Gott beerdigt [d. h. zunichte gemacht] hat. Die Behauptung, dass der Urknall oder die Feinabstimmung des Universums auf Gott und nicht auf Atheismus hindeuten, wird von den meisten Physikern als wissenschaftlich plausibel angesehen, vor allem, weil sie die gängigen Ansichten der Wissenschaft nicht in Frage stellt, sondern in ihnen begründet ist. Wenn es um Evolution und Biologie geht, ist die Situation eine ganz andere. Hier gilt die bloße Erwähnung von Gott oder einer gestaltenden Intelligenz als Pseudowissenschaft. Und das, obwohl die natürliche Welt, wie auch die Kosmologie, einen überwältigenden Eindruck von Gestaltung vermittelt. Richard Dawkins definierte die Biologie sogar als „das Studium komplizierter Dinge, die den Eindruck erwecken, zu einem bestimmten Zweck entworfen worden zu sein“1.

Ein Überblick über die Themen, die behandelt werden, lautet wie folgt:

Was ist Evolution und was behauptet sie?

  1. Beginnen wir mit der Frage, was unter der Evolutionstheorie zu verstehen ist. Wissenschaftler erklären uns, dass es sich um eine sorgfältig durchdachte Reihe von überprüfbaren Ideen und Beobachtungen handelt, die erklären, wie sich das Leben auf der Erde entwickelt hat und wie biologische Organismen (Lebewesen) miteinander verwandt sind.

    Francois Ayala, Professor für Evolutionsbiologie, erklärt uns, dass die Evolutionstheorie drei Kernaussagen enthält:

    [i] Alle Organismen sind durch gemeinsame Vorfahren miteinander verwandt;
    [ii] [Aussagen über] die Details, wann sich die verschiedenen Arten voneinander abgespalten haben und welche Veränderungen in den einzelnen Arten stattgefunden haben;
    [iii] [Aussagen über]die Art und Weise, wie der evolutionäre Wandel tatsächlich stattfindet.2

    Die erste Frage, so betont er, wird durch eine Vielzahl von Beweisen am stärksten unterstützt und wird von praktisch allen glaubwürdigen Biologen bejaht. Dass Organismen durch gemeinsame evolutionäre Abstammung miteinander verbunden sind, steht außer Zweifel. Was den zweiten und dritten Punkt angeht, so sind einige Aspekte davon eindeutig bestätigt, andere weniger; und einige sind ungeprüft oder höchst spekulativ. Im Großen und Ganzen, so Ayala, „stellt die Ungewissheit über diese Fragen die Tatsache der Evolution nicht in Frage“3.
  2. Warum ist es wichtig, das zu wissen? Um die Evolutionsfrage ehrlich beurteilen zu können, müssen wir das Thema zunächst kennen und verstehen. Erst dann können wir ihre Behauptungen mit den etablierten Lehren des Islam abwägen, um festzustellen, ob sie miteinander vereinbar sind oder nicht. Muslimische Gelehrte arbeiten nach der Regel: hukm ‘ala shay’ far’un ‘an tasawurihi „Ein Urteil über eine Sache entsteht erst, wenn du sie richtig begriffen hast.“ Mit anderen Worten: Wie kannst du die Gültigkeit einer Sache überhaupt beurteilen, wenn du nicht weißt, was sie eigentlich ist?
  3. Die Evolutionstheorie bietet eine Erklärung dafür, wie sich Lebewesen an ihre Umwelt anpassen oder wie sie sich zu anderen Arten [weiter]entwickeln: Natürliche Auslese (d. h. bestimmte Eigenschaften, die von der „Natur“ ausgewählt werden und dem Organismus das Überleben ermöglichen). Durch diesen Mechanismus entwickeln Lebewesen über lange Zeiträume hinweg bestimmte Eigenschaften, die es ihnen ermöglichen, zu überleben oder sich an ihre Umwelt anzupassen. Diese Eigenschaften (oder „egoistischen“ Gene) werden dann an die nächste Generation weitergegeben und erhöhen so ihre Überlebenschancen. Diejenigen, die diese Vorteile nicht haben oder nicht weitergeben, sterben auf lange Sicht aus. Manchmal mutiert ein Gen in einem Organismus durch reinen Zufall, wodurch er eine vorteilhafte Eigenschaft erhält. Durch „natürliche Auslese“ und „zufällige Mutation“ passen sich Organismen an oder können sich zu verschiedenen Arten entwickeln. Das hat Darwin in seinem Buch Die Entstehung der Arten zum ersten Mal vorgeschlagen, und die Evolutionstheorie passt zu allen fossilen Funden, Beobachtungen und genetischen Daten: nicht nur bei Insekten oder Tieren, sondern auch bei uns Menschen.

Ist die Evolution nicht nur eine Theorie?

  1. Ein häufiger Einwand gegen die Evolution lautet: „Es ist nur eine Theorie!“ Das heißt, es handelt sich nur um Vermutungen oder Ahnungen, nicht um Tatsachen oder Wahrheiten. Wenn Wissenschaftler von einer Theorie sprechen, verwenden sie das Wort anders, als es in der Alltagssprache üblich ist. Normalerweise sprechen wir von einer Theorie im Sinne einer „Spekulation“, einer „Vermutung“ oder eines „Gefühls“. Der Detektiv hat zum Beispiel eine Theorie, eine Vermutung, wie das Verbrechen begangen wurde, um das es geht. In der Wissenschaft hingegen bedeutet Theorie: eine Reihe von Ideen, die ein Phänomen oder eine Gruppe von Fakten erklären, die durch Beobachtung oder Experiment getestet und bestätigt wurden. Mit anderen Worten: Eine wissenschaftliche Theorie ist eine gut begründete Erklärung für einen Aspekt der natürlichen Welt, die auf Fakten, Beweisen und strengen Tests beruht. In der Wissenschaft wird [dagegen] das Wort Hypothese für jede Theorie verwendet, die noch nicht vollständig oder angemessen getestet wurde.4
  2. In der Wissenschaft gibt es viele Theorien, die keine Mutmaßungen sind, sondern auf genauen experimentellen Beobachtungen und logischen Schlussfolgerungen beruhen. Die Atomtheorie ist eine davon, die besagt, dass alle Materie aus Atomen und subatomaren Teilchen besteht. Die Theorie der Thermodynamik ist eine weitere. Sie bildet die Grundlage dafür, wie Kühlschränke und Zentralheizungen in unseren Häusern funktionieren, wie Motoren unsere Autos antreiben und wie biologische Prozesse in unserem Körper uns am Leben erhalten. Das Wissen, das dahinter steckt, ist faktisch. Und trotzdem wird es immer noch als Theorie bezeichnet. Dann gibt es noch die Quantenfeldtheorie und die Relativitätstheorie. Beide Theorien liefern sichere Erkenntnisse darüber, wie die subatomare Welt bzw. die Schwerkraft funktioniert. Vieles von dem, was diese Theorien aussagen, hat sich durch Experimente und Beobachtungen als wahr erwiesen, auch wenn einige Aspekte noch spekulativ sind und es an empirischen Beweisen mangelt. Und im Großen und Ganzen gilt das auch für die Evolutionstheorie.

Wo sind all die fehlenden Fossilien?

  1. Ein weiterer Kritikpunkt an der Evolutionstheorie ist der dürftige Zustand der Fossilien, d. h. wie wenige Fossilien es tatsächlich gibt. Biologen und Paläontologen (Wissenschaftler, die sich auf die Erforschung von Fossilien spezialisiert haben) versuchen, uns klarzumachen, wie glücklich wir uns schätzen können, dass wir überhaupt Fossilien ausgegraben haben. Denn die Fossilisierung von Lebewesen, so sagen sie, ist eigentlich ein seltenes Ereignis. Francis Collins, der Leiter des Humangenomprojekts, erklärt:

Die große Mehrheit der Organismen, die jemals auf der Erde gelebt haben, hat keinerlei Spuren hinterlassen, da Fossilien nur unter sehr ungewöhnlichen Umständen entstehen. (Zum Beispiel muss ein Lebewesen in einer bestimmten Art von Schlamm oder Gestein gefangen sein, ohne von Raubtieren zerpflückt zu werden. Die meisten Knochen verrotten und zerbröckeln. Die meisten Lebewesen verrotten.) In Anbetracht dieser Tatsache ist es eigentlich erstaunlich, dass wir über eine solche Fülle von Informationen über Organismen verfügen, die auf diesem Planeten gelebt haben.

The Language of God, 94.
  1. Aus diesem Grund, so Collins, sind die Fossilienaufzeichnungen, auch wenn sie bedauerlicherweise unvollständig sind, immer noch sehr nützlich.
  1. Trotz der „Schlaglöcher“ [im Sinne von großen Lücken] in den aktuellen Fossilakten haben viele Paleo-Evolutionisten, so scheint es, fossile Übergangsformen ausgegraben, die einen allmählichen Wandel vom Reptil zum Vogel und vom Reptil zum Säugetier zeigen. Der Archaeopteryx, eine Zwischenform zwischen Reptil und Vogel, ist ein solches Beispiel für einen Übergang. Ein anderes Beispiel ist das Hyracotherium, ein Tier von der Größe eines Hundes mit mehreren Zehen an jedem Fuß, das sich zu Equus, dem viel größeren einzehigen modernen Pferd, entwickelte. Man versichert uns, dass der allmähliche Übergang in den Fossilien bis ins kleinste Detail konstruiert wurde.5 Diese Behauptung kann man mit etwas Geduld, Aufgeschlossenheit und Objektivität selbst erforschen und darüber entscheiden. Aber mit welcher Begründung können wir die Behauptung als falsch oder fehlerhaft abtun, wenn wir nicht erst die nötigen Nachforschungen anstellen? Die Befürworter der Evolution haben mindestens zwei Beweise für den sichtbaren Übergang von einer Art zur anderen (die so genannte Speziation/Artenbildung) vorgelegt, und es ist an den Gegnern, sie auf intelligente Weise zu widerlegen, wenn sie dazu in der Lage sind.
  2. Was das „fehlende Glied“ beim Menschen angeht, sind sich die meisten Evolutionsbiologen ziemlich sicher, dass die fehlenden Verbindungen bereits gefunden wurden. Paelo-Evolutionisten verweisen auf die Fossilien verschiedener Hominiden – aufrecht gehende Zweibeiner, die unterschiedliche Ähnlichkeiten mit dem modernen Menschen haben, angefangen beim Australopithecus, über den Homo habilus und den Homo erectus bis hin zum Homo sapiens. Mehr darüber erfahren wir in Kapitel 6 Doch zunächst werden diese aufschlussreichen Fossilien als eine Art fehlendes Bindeglied (oder genauer gesagt, als gemeinsame Vorfahren) des Menschen betrachtet. Nimmt man zu den Fossilien noch die Beweise aus der Genetik hinzu, insbesondere die DNA-Sequenzierung und den Gendrift, dann ist der Beweis für die Evolution – zumindest in groben Zügen – nach Ansicht der meisten Wissenschaftler ziemlich wasserdicht.

    Ich sage „gemeinsamer Vorfahre“ und nicht „fehlendes Glied“, weil es einen wichtigen Punkt gibt, der heutzutage stark missverstanden wird. Von Museumsausstellungen bis hin zu Karikaturen wird das populäre Bild der menschlichen Evolution als eine lineare Entwicklung vom Primitiven zum Fortgeschrittenen dargestellt; von einem Affen auf allen Vieren, der sich allmählich aufrichtet und sich zu einem Steinzeitmenschen mit Keule und Speer entwickelt, bis hin zum modernen Menschen. Evolutionswissenschaftler sagen uns, dass der Satz „Der Mensch stammt vom Affen ab“ nicht hilfreich ist und eine grobe Vereinfachung darstellt, ebenso wie die populäre Vorstellung, dass ein bestimmter ausgestorbener Hominide das „fehlende Bindeglied“ ist. Dieses öffentliche Missverständnis gibt ein falsches Bild davon ab, wie die Evolution wirklich funktioniert. Ein besseres Bild der Evolution wäre ein Baum mit einem langen Stamm und einer Vielzahl von Ästen, Unterzweigen und Trieben. Dieser allmähliche Verzweigungsprozess stellt die Vielfalt des Lebens am besten dar, wobei alle einen gemeinsamen Vorfahren an der Basis des Stammes haben. Einige Wissenschaftler wollen die T-Shirts und Autoaufkleber, auf denen die Evolution in einer geraden Linie Schritt für Schritt dargestellt wird, durch ein Verzweigungsdiagramm ersetzen, um die Evolution differenzierter und korrekter darzustellen.
  3. Die Evolution durch natürliche Auslese wird von Atheisten als vernichtender Schlag gegen Religion angesehen. Durch sie, so sagen sie, kann man die Entstehung von komplexem Leben (einschließlich des menschlichen Lebens) erklären, von dem man bisher annahm, dass es einen Schöpfergott braucht. In den Worten Dawkins:

Die natürliche Auslese, der blinde, unbewusste, automatische Prozess, den Darwin entdeckte und von dem wir heute wissen, dass er die Existenz und die scheinbar zweckmäßige Form allen Lebens erklärt, hat keinen Zweck im Sinn6. Er hat keinen Verstand und kein geistiges Auge. Er plant nicht für die Zukunft. Er hat keine Vision, keine Voraussicht, überhaupt keine Sicht. Wenn man sagen kann, dass er die Rolle des Uhrmachers in der Natur spielt, dann ist er der blinde Uhrmacher.

The Blind Watchmaker, 14.
  1. Heutzutage glauben viele Menschen, dass Gott und die Evolution durch natürliche Auslese nicht zusammenpassen; sie schließen sich gegenseitig aus. Es muss entweder das eine oder das andere sein. Und da wir Beweise für die Evolution haben, gibt es auch keinen Gott. Wie richtig diese Denkweise ist, wird später behandelt, ebenso wie der Irrglaube, dass die natürliche Auslese ein Akteur [Handlungsträger] ist und nicht ein Mechanismus.

Die Geschichte der Evolution im Allgemeinen

  1. Nach den evolutionären Behauptungen im Mainstream lautet die Darwinsche Entstehungsgeschichte bis zum Aufkommen des Menschen in etwa so:

    Das Leben auf der Erde entstand vor etwa drei Milliarden Jahren, als sich ein Cocktail aus einfachen Chemikalien zu komplexeren zusammensetzte. Diese Vermischung fand in den Meeren der frühen Erde statt, in der „Ursuppe“. Um eine Reaktion zwischen den Molekülen auszulösen, musste Energie zugeführt werden, die von Gewittern oder heißen Unterwasserquellen stammen konnte. Die Moleküle verbanden sich dann zu komplexeren Molekülen, den Aminosäuren, aus denen wiederum die Proteine entstanden, die Bausteine aller Lebewesen. Ein weiteres komplexes Molekül, das bei diesen Reaktionen entstand, war die DNA, die zwei Eigenschaften hat, die sie für die Existenz von Leben unerlässlich machen. Sie enthält alle Informationen, die ein Lebewesen ausmachen, und sie kann sich auch selbst replizieren. Im Laufe von Millionen von Jahren entwickelte sich der Molekülcocktail zu Bakterien, die vermutlich die ersten Vorfahren allen Lebens auf unserem Planeten sind.

    An diesem Punkt setzte die natürliche Auslese ein, heißt es. Durch diesen Mechanismus entwickeln lebende Organismen über lange Zeiträume hinweg bestimmte Eigenschaften, die es ihnen ermöglichen, sich an ihre Umwelt anzupassen. Durch natürliche Auslese und zufällige genetische Mutation können sich Organismen sowohl als Art anpassen als auch zu verschiedenen Arten weiterentwickeln. Aus einzelligen Lebewesen in den Urgewässern der Erde entwickelten sich auf diese Weise vor etwa 700 Millionen Jahren Würmer und Quallen; die Dinosaurier traten vor etwa 225 Millionen Jahren auf und starben vor 65 Millionen Jahren plötzlich aus. Die Fossilien lassen vermuten, dass sich unsere frühen menschenähnlichen Vorfahren erst vor 5 Millionen Jahren von den Menschenaffen abspalteten und dass Homo sapiens (wir Menschen) erst vor relativ kurzer Zeit entstanden ist: vor etwa 200 000 bis 40 000 Jahren.

Die Geschichte der Evolution im Mainstream

  1. Was den Menschen betrifft und wie er entstanden ist, so besagt die Evolutionstheorie: Vor etwa 4 Millionen Jahren tauchten in Afrika erstmals affenähnliche Hominiden auf, die Australopithicus genannt wurden. Australopithicus war ein Zweibeiner und hatte eine Gehirnkapazität von etwa einem Drittel der des modernen Menschen. Es heißt, dass sie vor etwa 2,5 Millionen Jahren schließlich der Gattung Homo wichen.

    Homo habilis („handlicher/geschickter Mensch“ – so genannt, weil er der erste Hominide war, der Werkzeuge benutzte) lebte vor etwa 2,5 bis 1,5 Millionen Jahren im tropischen Afrika. Sein Gehirn war etwa halb so groß wie das des modernen Menschen und er war auch ein Zweifüßler. Er war aber eher ein Schimpanse als ein Mensch.

    Homo erectus („aufrechter Mensch“) gilt als Trennlinie: Alles, was vor ihm kam, war affenähnlich; alles, was danach kam, war menschenähnlich. Der Homo erectus tauchte vor 1,8 Millionen Jahren auf und überlebte bis vor vielleicht 250 000 Jahren. Er hatte ein viel höher entwickeltes Gehirn und war körperlich viel stärker als der moderne Mensch. Es scheint, dass er der erste war, der jagte, der erste, der Feuer benutzte, der erste, der komplexe Werkzeuge herstellte, der erste, der sich um die Schwachen und Gebrechlichen kümmerte.

    Der Mensch, der als Homo sapiens („wissender Mensch“ oder „weiser Mensch“) bezeichnet wird, entstand vor etwa 200 000 Jahren in Afrika und besiedelte schließlich den Rest der Welt, wobei er alle anderen Hominiden verdrängte. Erst vor 40 000 Jahren, so die Wissenschaftler, erreichte der Homo sapiens die „Verhaltensmoderne“, als sich die Merkmale herausbildeten, die den modernen Menschen ausmachen: komplexe Sprache, figurative Kunst, abstraktes Denken, Schmuck zur Verzierung, Spielen, fein gearbeitete Werkzeuge und Bestattungen (die sog. „Behavioral B’s“ [verhaltensmäßige B’s]: Klingen, Perlen, Bestattungen, Schönheit und die Herstellung von Knochenwerkzeug [eng.  blades, beads, burials, beauty & bone toolmaking]. Homo sapiens, die vor 50.000 Jahren lebten, waren verhaltensmäßig primitiv und kaum von anderen ausgestorbenen Hominiden zu unterscheiden.

    Es gibt noch ein paar andere Hominiden, aber das ist nur eine vereinfachte Skizze der Geschichte. Hat sich jeder Hominide direkt und linear aus dem vorherigen entwickelt? Oder haben sie alle gemeinsame Vorfahren mit ihren Vorgängern (und sind somit indirekt verwandt)? Wissenschaftler sprechen heute eher von gemeinsamen Vorfahren und Familienzweigen als von linearer Evolution.
  2. Ein letzter Aspekt der Evolutionsgeschichte, der bekannt sein sollte. Er hat mit den beiden Arten der Evolution zu tun: Mikroevolution und Makroevolution. Die Mikroevolution ist völlig unumstritten. Sie bezieht sich auf kleine evolutionäre Veränderungen in einer Art über kurze Zeitspannen hinweg. Solche Veränderungen werden häufig beobachtet und ständig dokumentiert. Bakterien, die eine Resistenz gegen Antibiotika entwickeln, sind ein bekanntes Beispiel für Mikroevolution. Die Mutation von Viren, die eine Resistenz gegen antivirale Medikamente entwickeln, ist leider ein anderes.

    Unter Makroevolution versteht man dagegen die große evolutionäre Veränderung einer Art in eine andere (auch „Speziation/Artenbildung“ genannt) über lange Zeiträume hinweg. Die meisten Evolutionsbiologen scheinen Verfechter des Gradualismus zu sein: dass die Makroevolution allmählich im Laufe der Zeit stattfindet. Es gibt eine Denkschule, die die Idee des Punktualismus vertritt: dass die Artenbildung in isolierten Gebieten mit schneller Makroevolution zwischen langen Perioden mit wenig oder gar keinen Veränderungen stattfindet.

Kritik an der Evolution

  1. Bevor wir weitermachen, wollen wir kurz auf einige wissenschaftliche Kritiken an der Standard-Evolutionsgeschichte eingehen. Wer sich eingehender mit diesen Kritikpunkten beschäftigen möchte, kann die hier diskutierten Themen auf eigene Faust weiterverfolgen:
  1. Die erste Kritik bezieht sich, wenig überraschend, auf die Übergangsfossilien. Wir könnten sie als „Kritik an der fantasievollen Paläontologie“ bezeichnen. Übergangsfossilien sind Fossilien von Tieren oder Pflanzen, die sich im Laufe von Tausenden oder Millionen von Jahren von einer Art zu einer anderen entwickelt haben. Kritiker argumentieren, dass es, auch wenn einige Fossilien den Anschein erwecken, dass es sich um Zwischenformen handelt, keine stichhaltigen Beweise gibt, die die einzelnen Abstammungslinien mit einem einzigen gemeinsamen Vorfahren verbinden. Der Glaube daran, so die Kritiker, ist mehr Wunschdenken als eindeutige, schlüssige Wissenschaft. Es werden auch detaillierte Kritiken an bestimmten Übergangsfossilien geäußert. Die Gegenargumentation ist zuversichtlich, dass solche Fossilien tatsächlich evolutionäre Übergänge zwischen einer Lebensform und einer anderen darstellen. Sie bestehen darauf, dass solche Fossilienbeweise, die sie mit der Vergangenheit verbinden, zusammen mit genetischen und embryonalen Ähnlichkeiten auf eine gemeinsame Abstammung von frühen Formen hindeuten. Auch die Gegenargumente gegen bestimmte Übergangsfunde, wie den Archaeopteryx, werden überzeugend dargelegt.

    Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Frage nach der wissenschaftlichen Wiederholbarkeit. Damit ein wissenschaftliches Prinzip oder eine wissenschaftliche Erkenntnis als wahr oder glaubwürdig gelten kann, müssen die Ergebnisse eines Experiments oder einer Beobachtungsstudie mit einem hohen Maß an Genauigkeit reproduzierbar sein, wenn sie von verschiedenen Forschern mit derselben Methode wiederholt werden. Erst nach mehreren erfolgreichen Wiederholungen können die Ergebnisse als wissenschaftliche Erkenntnisse gelten. Evolutionisten sagen, dass wir zwar die Makroevolution des Menschen oder die Entwicklung eines Fisches zu einem Pferd nicht wiederholen können (da dies Millionen von Jahren dauern würde), aber wir können Tausende von Generationen bestimmter Arten in einem relativ kurzen Zeitraum wiederholen. So werden seit 1988 zwölf Populationen von E. coli-Bakterien in einem Labor sorgfältig gezüchtet, um evolutionäre Veränderungen festzustellen. Im Jahr 2020, 73 500 Generationen später, haben Wissenschaftler einige erstaunliche Anpassungen im Sinne der Mikroevolution beobachtet. Die Makroevolution bzw. die Artenbildung wurde jedoch noch nicht beobachtet. Die Gegner der Evolution sehen darin eine klare Bestätigung. Ihre Befürworter sagen, dass das Bakterium den Höhepunkt der Anpassung eigentlich schon erreicht haben müsste, dass aber vielleicht einige Mutationen die Umwelt verändert haben, so dass das Bakterium in einem Zustand der Anpassung verharrt, anstatt dass die Anpassungen eine neue Art ergeben.

    Außerdem stellt sich die Frage nach der genetischen Entropie: Wie kann aus chaotischem, leblosem, zufälligem Material eine hoch definierte Ordnung und ein Bewusstsein entstehen? Douglas Adams, der bekennende „radikale Atheist“ aus Per Anhalter durch die Galaxis, bemerkte in seinem Buch:

Reicht es nicht, zu sehen, dass der Garten schön ist, ohne dass man auch noch glauben muss, dass am Grund des Gartens Feen wohnen?

Siehe: J.C. Lennox, God’s Undertaker (Oxford: Lion Books, 2009), 40; A. Wilson, If God, Then What? (England: Inter-Varsity Press, 2012), 66-9.
  1. Das bringt meiner Meinung nach die Frage auf den Punkt, wie aus Chaos und leblosem Zeug Ordnung und Schönheit entstehen. Um diesen herrlichen Garten zu schätzen, müssen wir nicht an Feen glauben. Aber es wäre völlig vernünftig und sicherlich nicht irrational, an einen Gärtner zu glauben. Ein schöner Garten würde uns glauben lassen, dass sich jemand mit Geschick, Können und Intelligenz die Zeit genommen hat, den Garten zu pflegen. Wäre der Garten jedoch ein riesiges, ungepflegtes Chaos, Unkraut und Unordnung, würden wir zu Recht annehmen, dass es keinen Gärtner gibt. Wenn wir aber feststellen würden, dass sich diese riesige Wucherung in ein geordnetes Bild aus schön arrangierten Blumen, geschnittenem Gras und gestutzten Hecken verwandelt hat, wie könnte es dann nicht das Werk eines Gärtners sein? Das gilt auch für die chaotische, leblose Materie in der Ursuppe der Erde, die zu einer hoch geordneten, intelligenten und empfindungsfähigen Materie wurde. Und das gilt natürlich nicht nur für das Leben auf der Erde, sondern auch für das Universum als Ganzes: vom seismischen, flüchtigen Chaos nach dem Urknall bis hin zu der Ordnung, Schönheit, Majestät und Intelligenz, die der kosmische Garten enthält. Könnten solch überzeugende Eindrücke von Design auf der Erde oder im Sternenhimmel nicht auf einen tatsächlichen Designer zurückzuführen sein? Ruft eine solche Gestaltung nicht nach einer transzendenten Erklärung?

    Dann ist da noch die Frage der nicht nicht reduzierbaren Komplexität. Es scheint, dass es bestimmte lebenswichtige Organe gibt, die eine Evolution unmöglich machen. Die Befürworter der irreduziblen Komplexität argumentieren, dass einige biologische Funktionen, wie das menschliche Auge, nicht durch leichte, schrittweise Veränderungen entstanden sein können. Es müssen alle Teile auf einmal vorhanden sein, sonst funktioniert es nicht. Das Auge, so die Befürworter, kann also nicht nach und nach durch natürliche Auslese entstanden sein, was die Evolution widerlegt. Die Mainstream-Evolution bietet jedoch ein Modell, das zeigt, wie bestimmte Organismen nach und nach rudimentäre Aspekte eines Auges entwickelt haben, ohne dabei völlig funktionsunfähig zu sein. Im Laufe der Jahrmillionen hat sich dieses „Urauge“ immer weiter entwickelt und schließlich das menschliche Auge hervorgebracht. Auch andere Beispiele für nicht reduzierbare Komplexität, so der Mainstream, erweisen sich nicht als nicht reduzierbar, sondern wie das menschliche Auge als reduzierbar und schrittweise.

    Ein letzter Punkt, den es zu beachten gilt: Nur weil wir genetisch mit Schimpansen verwandt sind, ist das noch lange kein Beweis für eine gemeinsame Abstammung. Ansonsten sind 50% unserer menschlichen Gene (wenn auch nicht die menschliche DNA) mit Bananengenen identisch. Das lassen wir für das Gespräch auf der Party7. Aber jetzt mal im Ernst: Die DNA ist der Grund für eine letzte Kritik. Nennen wir sie die Kritik an der zellulären Maschinerie. Vereinfacht ausgedrückt, behauptet die Mainstream-Evolutionstheorie, dass es die DNA ist, die Proteine herstellt, und dass Proteine die Bausteine allen Lebens sind. Es stellt sich jedoch heraus, dass die DNA selbst Eiweiß benötigt, um sich zu bilden. Was war also zuerst da: das Huhn oder das Ei, die DNA oder das Protein? Kreationistische Kritiker an der Evolution antworten mit einem Lückenbüßergott8-Argument: Da die Wissenschaft den Mechanismus nicht kennt, muss es also Gott sein. Wissenschaftler bieten jedoch die RNA-Welt-Hypothese als mögliche Antwort an. Sie besagt, dass die RNA – die wie ihr Schwestermolekül, die DNA, in allen biologischen Zellen vorkommt, Proteine synthetisieren kann und den DNA-Befehlscode trägt – das Erste gewesen sein könnte, das sich in der Ursuppe repliziert und entwickelt hat (und wenn nicht solche RNA-Ketten, dann etwas Ähnliches) und schließlich in den Hintergrund getreten ist, als die DNA auf der Bildfläche erschien. So vielversprechend diese Idee auch sein mag, sie muss noch viele Hürden überwinden und ist noch lange nicht ausgereift.
  1. Doch bei all den erstaunlichen Erkenntnissen der Molekularbiologie stellt sich doch die Frage: Wie können solche außergewöhnlichen molekularen Maschinen die Aufgabe der Replikation, der Regulierung, der Übertragung des genetischen Codes und all die anderen verblüffenden Funktionen, die sie ausführen, durch das Produkt einer geistlosen, motivlosen Mechanik erfüllen? Die Behauptung, dass blinde, ungelenkte Prozesse hochkomplexe biologische Informationen, wie sie in der DNA kodiert sind, hervorgebracht haben, ist eher ein Glaubenssprung als exakte Wissenschaft. Die Behauptung, dass der blinde Zufall Eiweißbausteine zu hochpräzisen Mustern zusammengesetzt hat, ohne dass es dafür ein Ordnungsprinzip gab, erfordert einen weitaus größeren Glaubenssprung als der Glaube an eine theistische Erklärung für die Entstehung des Lebens.

    Das Gleiche gilt für die „natürliche Auslese“. Die Art und Weise, wie das darwinistische Mysterium der natürlichen Auslese heute als die endgültige Erklärung für die Existenz des Lebens und all seiner Variationen dargestellt wird, ist irreführend und falsch. Die natürliche Auslese wählt bestenfalls aus bereits existierenden Dingen aus. Sie erfindet die Dinge nicht. Sie mag zwar eine Erklärung für die Vielfalt der Organismen und des biologischen Lebens sein, aber sie ist sicher nicht die endgültige Erklärung, für die sie oft gehalten wird. Das Gleiche gilt für „zufällige genetische Mutationen“. Ein solcher Zufall kann nur auf bereits vorhandene Dinge einwirken, um das zu mutieren/verändern, was bereits vorhanden ist. Genau wie die natürliche Auslese erklärt sie nicht den Ursprung des Lebens [selbst] und macht auch ein zugrunde liegendes Ordnungsprinzip nicht überflüssig. Theisten haben jedes Recht, dem blinden Zufall skeptisch gegenüberzustehen, auch wenn Atheisten einen Glaubenssprung gemacht haben. Ein altes arabisches Sprichwort sagt uns: al-sarj al-mudhahhab la yaj’alu’l-himar hisan – „Der vergoldete Sattel macht aus einem Esel kein Pferd.“
  2. Lassen wir solche Kritikpunkte beiseite und nehmen wir die Theorie in ihrer Standardform, wie sie an Hochschulen und Universitäten gelehrt wird und in den Standardlehrbüchern zu diesem Thema zu finden ist. Wir wollen [jedoch gar] nicht versuchen, die Wissenschaft zu entlarven. Vielmehr sollten wir die Behauptungen der etablierten Wissenschaft für bare Münze nehmen: Denn das Wissen, das man braucht, um zu argumentieren, zu kontern oder gar das Gegenargument zu entkräften, erfordert ein immenses Fachwissen, das die meisten von uns einfach nicht besitzen. Im besten Fall kennen wir vielleicht die allgemeinen Argumente für eine Ansicht, aber nicht die Gegenargumente. Im Islam mögen solche Menschen als gebildete Anhänger der Experten gelten, aber sie sind selbst keine Experten, die Beweise, Behauptungen oder Gegenbehauptungen mit der richtigen, systematischen Methode bewerten können. Solange eine Person das nicht kann, gilt sie im Islam in der Regel nicht als Experte, der seine eigenen fundierten Einschätzungen vornehmen kann. Nehmen wir also stattdessen die gängigen Behauptungen und Postulate der Evolutionstheorie und fragen: Was hat die islamische Theologie zu all dem zu sagen?

Islam und die allgemeine Evolutionstheorie

  1. Nachdem wir einige Zeit damit verbracht haben, darzustellen, was Evolution ist und wie sie funktioniert, ist es an der Zeit, die Theorie – mit all ihren Fakten, Behauptungen und Spekulationen – einer islamisch-theologischen Kritik zu unterziehen.
  1. Dürfen wir als Muslime (deren Glauben, Werte und Ideale im Qur’an und den Lehren des Propheten Muhammed ﷺ verwurzelt sind) an die Evolutionstheorie glauben? Gerechtigkeit und wissenschaftliche Integrität verlangen, dass wir nicht verallgemeinern, sondern uns mit dem beschäftigen, was unsere Gelehrten tafsil nennen – Details, Nuancen oder Unterscheidungen. Lasst uns die Frage also aufschlüsseln. Wenn es sich um Mikroevolution handelt, also um Lebensformen, die sich durch genetische Veränderungen an ihre Umgebung anpassen, um besser zu überleben, dabei aber dieselbe Art bleiben, dann hat die islamische Theologie kein Problem damit. Vorausgesetzt, dass diese Mikroevolution durch stichhaltige Beweise gestützt wird (was der Fall ist) und mit den folgenden drei Glaubenssätzen verbunden ist:

    [i] Dass Gott allein der Schöpfer aller Dinge und aller Veränderungen ist.
    [ii] Dass nichts geschieht, ohne dass Gott es will.
    [iii] Ursachen und Wirkungen werden von Gott geschaffen und sind nicht von Ihm unabhängig (dies schließt den Mechanismus der „natürlichen Auslese“ und der „zufälligen genetischen Mutation“ ein).

    Unter diesen Bedingungen ist die Leugnung dieser Art von Evolution islamisch ungerechtfertigt und empirisch unangebracht.
  2. Was die Makroevolution betrifft, also die langsame Entwicklung einer Art zu einer anderen Art über lange Zeiträume hinweg (nicht unbedingt linear, sondern über Verzweigungen und Unterverzweigungen), so ist dies etwas, an das wir als Muslime glauben können und das aus islamischer Sicht theologisch möglich ist: vorausgesetzt, die Wissenschaft ist solide, an die drei oben genannten Bedingungen wird geglaubt und wir beziehen den Menschen nicht mit ein. Die Makroevolution kann aus wissenschaftlicher Sicht abgelehnt werden, sei es aus Unwissenheit (absichtlich oder unabsichtlich), aus Voreingenommenheit oder aus unterschiedlichen Interpretationen der tatsächlichen Beweise. Aber aus Sicht der islamischen Theologie und aus der Sicht dessen, was Gott vernünftigerweise tun kann, kann sie nicht abgelehnt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn die islamische Offenbarung nichts für oder gegen die Vorstellung einer nicht-menschlichen Evolution sagt und sie somit den weltlichen Beweisen überlässt.

    Lange Rede, kurzer Sinn: Wer glaubt, dass es für Gott unmöglich ist, durch Seinen göttlichen Willen und Sein schöpferisches Handeln die Entwicklung einer Art zu einer anderen zu bewirken, egal durch welchen Mechanismus oder in welchem Zeitrahmen, hat einen Mangel in seinem Verständnis der islamischen Theologie und dessen, was für Gott rational möglich (mumkin) und unmöglich (mustahil) ist.9 Die nicht-menschliche Makroevolution rundheraus zu leugnen, ist theologisch fehlerhaft und falsch und steht möglicherweise im Widerspruch zu einer großen Menge empirischer Beweise. Und Allah weiß es am besten. Aber wenn wir die Behauptungen der Evolution für bare Münze nehmen, dann gibt es für Muslime kein theologisches Hindernis, an die Makroevolution zu glauben, solange wir den Menschen von diesem Prozess ausschließen. Denn der Qur’an hat dazu etwas ganz Bestimmtes zu sagen.
  3. Eine ähnliche Antwort wie oben gilt für Fragen wie: Was sagt der Islam über Dinosaurier oder über das Leben auf anderen Planeten? Da sich weder der Qur’an noch der Heilige Prophet zu solchen Fragen geäußert haben, weder durch Bejahung noch durch Verneinung, handelt es sich weniger um eine religiöse Frage als vielmehr um eine, die von weltlichen oder wissenschaftlichen Beweisen abhängt. Wenn die Beweise dafür stichhaltig sind, d. h. wenn sie ein solides Wissen darstellen, kann man an diese Dinge glauben; wenn nicht, dann nicht (oder zumindest das Urteil aussetzen). In der islamischen Erkenntnistheorie (madarik al-‘ulum) wird Wissen als wahrer, begründeter Glaube definiert und durch eine der drei Quellen erlangt: wahrheitsgemäße Berichte (khabari), empirische Beweise (hissi) oder rationale Untersuchungen (‘aqli).10

Islam und die menschliche Evolution

  1. Der Qur’an sagt ganz klar, woher der Mensch kommt. In einem Vers heißt es:

Und als dein Herr zu den Engeln sagte: ‚Ich bin dabei, ein menschliches Wesen aus trockenem Ton, aus fauligem schwarzen Schlamm zu erschaffen. Wenn Ich es zurechtgeformt und ihm von Meinem Geist eingehaucht habe, dann fallt und werft euch vor ihm nieder.‘

Qur’an, 15:28-29.
  1. Diese Schöpfung, zusammen mit dem Geist bzw. ruh, der ihm eingeflößt wurde, wurde auf eine einzigartige Weise geformt, anders als andere Menschen:

‚O Iblīs, was hat dich davon abgehalten, dich vor dem niederzuwerfen, was Ich mit Meinen Händen erschaffen habe?‘

Qur’an, 38:75.
  1. Der Qur’an sagt auch, dass Adam intelligent und sprachgewandt war:

Und Er lehrte Ādam die Namen alle. […] Er sagte: ,O Ādam, teile ihnen ihre Namen mit!‘

Qur’an, 2:31-33.
  1. Der Vers widerlegt auch den falschen Glauben an die angebliche Göttlichkeit Jesu:

Gewiss, das Gleichnis ʿĪsās ist bei Allah wie das Gleichnis Ādams. Er erschuf ihn aus Erde. Hierauf sagte Er zu ihm: ‚Sei!‘ und da war er.

Qur’an, 3:59.
  1. Die Stimme der islamischen Theologie wird am besten in einem authentischen Hadith wiedergegeben, der besagt, dass die Menschen am Tag des Gerichts in ihrem Zustand der Verzweiflung bei den Propheten Gottes um Fürsprache bitten werden, damit das Gericht beginnen kann. Sie werden zuerst zu Adam kommen und ihn mit folgenden Worten anflehen:

Du bist Adam, der Vater der Menschheit. Gott hat dich mit Seiner eigenen Hand erschaffen, hat dich in Seinem Garten wohnen lassen, hat den Engeln befohlen, sich vor dir niederzuwerfen, und hat dich die Namen aller Dinge gelehrt […]

Al-Buchari, Nr. 7516.
  1. Wenn man also glaubt, dass der erste Mensch durch den Evolutionsprozess geboren wurde und schließlich von zwei Urmenschen gezeugt wurde, dann steht das in völligem Widerspruch zu dem, was der Qur’an ausdrücklich über Adam, Friede sei mit ihm, aussagt.
  1. Einige haben neuerdings behauptet, dass die qur’anische Geschichte von Adam nur eine Metapher oder Allegorie ist und dass die offensichtliche Bedeutung nicht beabsichtigt ist. Dass die Erzählung eine tiefe Symbolik und Metaphern von zutiefst spiritueller und existenzieller Natur enthält, wird nicht in Frage gestellt. Gegen was jedoch Einwand herhoben wird, ist die Leugnung der scheinbaren (zahir) Bedeutung. Die Gelehrten sind sich einig, dass die Grundregel bei der Auslegung des Qur’ans darin besteht, ihn nach der zahir – der offensichtlichen und offenkundigen Bedeutung – zu verstehen, ohne auf eine bildliche oder metaphorische Bedeutung (ta’wil) zurückzugreifen, es sei denn, es gibt Beweise, die dies rechtfertigen. Das heißt, die offensichtliche Bedeutung – „die Bedeutung, die dem Zuhörer wie ein spontanes Verständnis einfällt“11 – wird als die richtige angesehen, sofern es keinen äußeren Hinweis (qarinah) gibt, der das Gegenteil besagt. Da der Qur’an in klarem Arabisch offenbart wurde, kann die offensichtliche Bedeutung, die die Araber des prophetischen Zeitalters sofort aus dem Text herausgelesen hätten, nicht ohne eindeutige Beweise ignoriert werden. Selbst dann sind Verse mit offensichtlichen Bedeutungen offen für Abstufungen der Klarheit und der textlichen Eindeutigkeit. Qualifizierte Rechtsgelehrte sprechen hier von expliziten Bedeutungen (‘ibarat al- nass), impliziten Bedeutungen (isharat al-nass), abgeleiteten Bedeutungen (dalalat al-nass) und erforderlichen Bedeutungen (iqtida al-nass).
  2. Der Qur’an scheint sich Mühe gegeben zu haben, uns von den verschiedenen Zuständen zu berichten, die der Lehm bei der Entstehung Adams durchlief und die mit den verschiedenen Stufen seiner Erschaffung übereinstimmen. Wir lesen: „Er erschuf ihn aus Erde“12 [3:59], „aus trockenem Ton“ [15:26, 28], „trockenem Ton wie Töpferware“ [55:14], „aus haftendem Lehm“ [37:11], „aus einem Auszug aus Lehm“ [23:12]. Es ist schwer zu erkennen, wie all dies eine Metapher oder Allegorie sein könnte. Die Sprache ist viel zu anschaulich, die Details sind viel zu deutlich. Stattdessen versucht der Qur’an, dem Leser die Tatsächlichkeit des Geschehens vor Augen zu führen: dass es sich nicht um einen frommen Wunschtraum handelt, dass es einen Menschen namens Adam gab und dass er einzigartig geschaffen wurde.
  3. Ein weiterer Grund, weshalb die Geschichte von Adam keine symbolische Metapher ist. Wenn der Quran’ sagt: „Gewiss, Allah hat Ādam und Nūḥ und die Sippe Ibrāhīms und die Sippe ʿImrāns vor den (anderen) Weltenbewohnern auserwählt“ [3:33], sollen wir dann glauben, dass, da Adam keine reale, sondern eine fiktive Person war, die eine tiefe religiöse Symbolik darstellt, dasselbe auch für Noah, Abraham, ‘Imran und ihre Familien gilt, da sie alle zusammen in dem obigen Vers erwähnt werden? Abermals, wenn der Qur’an sagt: „Gewiss, das Gleichnis ʿĪsās ist bei Allah wie das Gleichnis Ādams.“ [3:59], soll Jesus also auch als eine nicht wörtliche, allegorische Geschichte gelesen werden? Ganz bestimmt nicht! Die Verweise auf Adam im Qur’an sind zu spezifisch und zu zahlreich, um als Metapher gelesen zu werden! Sie sind vielmehr das, was sie sind: Schilderungen tatsächlicher Ereignisse, die sich in der Vorgeschichte des Menschen ereignet haben. Sie erinnern uns daran, dass wir Geschöpfe aus Fleisch und Blut sind, die aus der Erde geformt wurden und letztlich dazu verdammt sind, wieder in sie [die Erde] hinein zu fallen; erfüllt von unstillbaren Begierden, die wir ständig versuchen, auf der untersten Ebene zu befriedigen; gezwungen, unter uns zu leben, außer durch die Gnade Gottes.

    Kurz gesagt: Ich hoffe, dass ich damit gezeigt habe, dass es ein schwerer Fehler ist, die Geschichte von Adams Erschaffung als reine Metapher zu lesen und dass die Beweise für den Irrtum dieser Vorstellung für diejenigen, die darauf bestehen, leider ziemlich erdrückend sind. Der Ausgangspunkt jeder vernünftigen Auslegung des Heiligen Qur’ans ist die Originalsprache, in der er offenbart wurde: klares, deutliches und klar ausgedrücktes Arabisch. Wenn von der standardmäßigen zahir-Lesart des Textes zu einer allegorischen Lesart abgewichen werden soll, muss dies durch die grammatikalische, semantische oder stilistische Komplexität des Arabischen oder durch stichhaltige Indizien gerechtfertigt sein. Andernfalls sind allegorische Lesungen ohne eine systematische, klar definierte Hermeneutik wahrscheinlich nichts weiter als eine launische Irreführung.

Theistische Evolution – ist das eine Antwort?

  1. Eine Reihe bedeutender Wissenschaftler, die auch Theisten sind oder an Gott glauben, haben versucht, ihre religiösen Überzeugungen mit ihrer wissenschaftlichen Weltanschauung durch die „theistische Evolutio“” in Einklang zu bringen. Dies ist, wie Francis Collins sagt, „die vorherrschende Position von ernsthaften Biologen, die auch ernsthaft gläubig sind … Es ist die Ansicht, die von vielen Hindus, Muslimen, Juden und Christen, einschließlich Papst Johannes Paul II. vertreten wird.“13

    Eine typische Darstellung der theistischen Evolution besagt, dass der genaue Mechanismus, wie das Leben auf der Erde entstanden ist, zwar unbekannt ist, aber sobald das Leben entstanden ist und der Evolutionsprozess in Gang gekommen ist, kein göttliches Eingreifen erforderlich war. Es ist so, als hätte Gott die „Uhr“ der Evolution erschaffen, sie zunächst aufgezogen und sie dann einfach sich selbst überlassen, ohne dass Er [darin] eingriff. Gott habe also das Leben auf der Erde in Gang gesetzt und den eleganten Mechanismus der Evolution gewählt, um die Hauptarbeit zu leisten und die biologische Vielfalt und Komplexität auf der Erde zu schaffen. Collins sagt:

Diese Sichtweise ist mit allem, was die Wissenschaft uns über die natürliche Welt lehrt, vollkommen vereinbar. Sie ist auch völlig vereinbar mit den großen monotheistischen Religionen der Welt.

Ebd., 201.
  1. Leider sieht das der Mainstream der islamischen Theologie nicht so. Der Haupteinwand gegen die theistische Evolution liegt in der Annahme, dass sich die göttliche Hand zurückzieht, sobald die Evolution in Gang gekommen ist. Eine solche kausale Autonomie von Gott steht jedoch im Widerspruch zu bestimmten Kernaussagen des Qur’ans. Erstens steht sie im Widerspruch zu Versen, die uns sagen: „Sag: Allah ist der Schöpfer von allem“ [13:16] Das gilt sowohl für unsere Handlungen als auch für unsere stillen Momente [d. h. Momente, in denen wir nicht handeln]: „wo doch Allah euch und das, was ihr tut, erschaffen hat“ [37:96] Das heißt, dass keine Zeit vergeht, außer dass Gott als Schöpfer (al-Khaliq) erschafft; als der Schenkende (al-Wahhab) beschenkt; als der Allbarmherzige (al-Rahman) Seine Barmherzigkeit herabsendet usw. Zweitens, dass nichts unabhängig von Gottes Willen geschehen kann. Alles geschieht nach Seinem Willen und Sein Wille wird erfüllt; was Er für sie bestimmt, geschieht, und was er nicht bestimmt, geschieht nicht. Für Gläubige ist nichts per Zufall und zufällig. Nichts geschieht durch „Zufall“. Auch sind Ursachen und Wirkungen nicht unabhängig von göttlichem Willen. Drittens schreibt die theistische Evolution nicht nur evolutionären Prozessen eine autonome Ursache und Wirkung zu, sondern auch Adam proto-menschliche Eltern; sie erklärt nicht seine einzigartige Schöpfung; sie erklärt nicht sein Wissen und seine artikulierte Sprache; und sie spielt mit der Sprache des Qur’ans, wenn es darum geht, was allegorisch ist und was nicht.
  2. Das soll nicht heißen, dass die islamische Theologie Ursachen und Wirkungen leugnet. Sie leugnet vielmehr, dass Ursachen an und für sich Wirkungen haben, denn Gott ist der Schöpfer aller Dinge. Wenn jemand buchstäblich glaubt, dass „zufällige“ Mutation oder „natürliche“ Auslese kausal unabhängig vom Willen Gottes sind, wie es die meisten Wissenschaftler tun, wäre das Unglaube (kufr). In der islamischen Theologie ist es jedoch erlaubt, bestimmte Ausdrücke bildlich zu verwenden, z. B. wenn jemand sagt: „Das Essen hat mich satt gemacht“ oder „Das Feuer hat mich verbrannt“, vorausgesetzt, man glaubt nicht, dass diese Dinge kausal unabhängig vom Willen Gottes sind. Auch Ausdrücke wie „die Natur tut dies und jenes“ fallen höchstwahrscheinlich unter die oben genannte Regelung. Aber an die Wörtlichkeit solcher Ausdrücke zu glauben, hieße, Gott in Seiner Herrschaft einen „Partner“ beizugesellen. Oder, um es mit dem theologischen Vokabular des Islam zu sagen: shirk fi’l-rububiyyah oder shirk fi’l-asbab.

    Die Regel in Bezug auf die weltlichen Ursachen (asbab) lautet wie folgt:

Sich auf weltliche Ursachen zu verlassen, ist Schirk an Gottes Einheit (tawhid), ihre Wirksamkeit zu leugnen, ist Mangel an Verstand; ihren Gebrauch zu meiden, ist Verhöhnung der Schari’ah.

Zitiert aus: Ibn Abi’l-‘Izz, Sharh al-‘Aqidah al-Tahawiyyah (Beirut: Mu’assassah al-Risalah, 1999), 2:696. Also cf. Keller, Evolution Theory & Islam (Cambridge: The Muslim Academic Trust, 1999), 8-9.

Wie erklären wir uns die homininen Fossilien?

  1. Wenn Adam der erste Mensch war und nicht durch die übliche Evolutionsmethode gezeugt wurde, wie können wir dann die homininen Fossilien erklären, die Hunderttausende von Jahren zurückreichen? Bei dem Versuch, die Quadratur des Kreises zu schaffen, haben zeitgenössische Muslime ein paar Antworten parat:
  1. Die erste ist die sogenannte bashr-insan-Dichotomie. Kurz gesagt: Wenn im Qur’an von bashr die Rede ist, sind damit die evolutionären Hominiden gemeint, die in ihrer physischen Form dem Menschen ähneln. Insan hingegen wird verwendet, wenn dieser bashr Intelligenz und metaphysische Fähigkeiten entwickelt hat. Diejenigen, die diese Ansicht vertreten, gehen davon aus, dass Gott irgendwann einen dieser bashr-Hominiden auswählte und ihn mit einem ruh ausstattete und so den ersten insan schuf, der die Erde bevölkerte und alle anderen bashr-Hominiden ablöste.

    Diese These ist jedoch problematisch. Zum einen schreibt sie Adam eine elterliche Handlungsfähigkeit zu und widerspricht damit dem Qur’an. Zum anderen ist die Unterscheidung zwischen bashr und insan fehlerhaft. Es gibt einige Verse im Qur’an, in denen diese eigentümliche Vorstellung ins Leere läuft. Zum Beispiel lesen wir im Heiligen Qur’an:

Dies, weil ihre Gesandten immer wieder zu ihnen mit den klaren Beweisen kamen, sie aber sagten: „Sollen (etwa) menschliche Wesen14Anmerkung ITV: Der Wortlaut der englischen Übersetzung lautet hier „Sterbliche“.[/efn] uns rechtleiten?“

Quran, 64:6.
  1. Diejenigen, die Gottes Propheten ablehnten, beschwerten sich darüber, dass sie sterblich seien, bashr. Wie können also Propheten als bashr bezeichnet werden, was sich in der obigen Dichotomie auf Hominiden bezieht, die noch keine Intelligenz und Erkenntnis entwickelt haben? Außerdem wird dem Propheten Muhammed, Friede sei mit ihm, gesagt, er solle zu den Glaubensleugnern sagen:

Preis sei meinem Herrn! Bin ich etwas anderes als ein menschliches Wesen und ein Gesandterefn_note]Anmerkung ITV: Der Wortlaut der englischen Übersetzung lautet hier „ein sterblicher Gesandter“.?

Quran, 17:93.
  1. Wieder wird das Wort bashr, sterblich, verwendet. Und um zu zeigen, dass bashr und insan nach klassischer Lehrmeinung synonym und gleichwertig sind, lesen wir über Maria, die Mutter Jesu:

So iss und trink und sei frohen Mutes. Und wenn du nun jemanden von den Menschenefn_note]Anmerkung ITV: Der Wortlaut der englischen Übersetzung lautet hier „Person“. sehen solltest, dann sag: ‚Ich habe dem Allerbarmer Fasten gelobt, so werde ich heute mit keinem Menschenwesen sprechen.‘

Quran, 19:26.
  1. Die Begriffe „bashr“ (Person) und „insan“ (Mensch) wurden also synonym verwendet.
  1. Wenn die Geschichte Adams also keine Metapher ist und die Dichotomie von bashr und insan es nicht ganz trifft, was dann? Was kann Adams wundersame Natur und gleichzeitig die hominiden Lebensformen bestätigen, die Hunderttausende von Jahren vor uns auf der Erde lebten? Was bestätigt die Wahrheit des Qur’ans und die schwer zu ignorierenden Fakten der Fossilienfunde von Hominiden? Ein plausibler Weg, ohne die klassische arabische Sprache zu verdrehen, um sie wissenschaftlichen Empfindungen anzupassen oder weit hergeholte Erklärungen zu erfinden, die im Widerspruch zu eindeutigen Quranversen und dem muslimischen Gelehrtenkonsens (ijma’) stehen, ist der Vorschlag: Menschlicher Exzeptionalismus. Mit anderen Worten: Irgendwann, nachdem Gott die Erde mit Hominiden verunreinigt und sie und alles andere durch den Mechanismus der Evolution erschaffen hatte, schuf Gott in seiner Weisheit den Menschen, beginnend mit der direkten, wundersamen Erschaffung Adams. Nachdem Er ihn auf die Erde gesetzt, ihm die Sprache beigebracht und ihm ein ruh eingeflößt hatte – also ihn mit weltlicher und metaphysischer Intelligenz ausstattete –, ließ er Adam zusammen mit seiner Frau und seinen Nachkommen die Erde bevölkern und sorgte dafür, dass die anderen Hominiden der Gattung Homo entweder vor oder nach ihrer Ankunft auf der Erde ausstarben. Das ist etwas, worüber Gott die Menschheit durch die Heilige Schrift und das Prophetentum informiert hat, auch wenn es wissenschaftlich vielleicht nicht feststellbar ist.

    Wenn wir uns an den 11. Punkt erinnern, dass der Homo sapiens vor etwa 40 000 Jahren modern wurde und die Verhaltensmoderne [ein modernes Verhalten] erreicht hat, könnten wir weiter spekulieren, dass Adam der Sprung vom primitiven Homo sapiens – der uns zwar körperlich und biologisch ähnelte, aber kein ruh hatte und daher kaum von anderen Hominiden zu unterscheiden war – zu uns modernen Sapiens war. Die Tatsache, mit einem ruh ausgestattet zu sein, hat den Unterschied gemacht:

Und als dein Herr zu den Engeln sagte: ‚Ich bin dabei, ein menschliches Wesen aus trockenem Ton, aus fauligem schwarzen Schlamm zu erschaffen. Wenn Ich es zurechtgeformt und ihm von Meinem Geist eingehaucht habe, dann fallt und werft euch vor ihm nieder.‘

Qur’an, 15:18-29.
  1. Dass Gott Adam, diesen modernen Homo sapiens, zur richtigen Zeit, mit der richtigen genetischen Ausstattung und als der bedeutende Zweig der verschiedenen Homo-Zweige (die sich aus viel früheren gemeinsamen Vorfahren entwickelten, um erneut auf die Metapher des sich verzweigenden Baumes zurückzukommen) in die Mischung eingeführt haben könnte, ist eine theologische Möglichkeit und etwas, das die Wissenschaft nicht widerlegt. Die Frage, warum Gott dies auf diese Weise tun würde, kann die Wissenschaft nicht beantworten. Die theologische Antwort darauf wäre:

Er wird nicht befragt nach dem, was Er tut; sie aber werden befragt.

Qur’an, 21:23.
  1. Oder um eine noch schärfere Antwort zu geben: Warum nicht?
  1. Dass es Wesen gab, die Adam in gewisser Weise ähnelten und die vor seiner Ankunft auf der Erde lebten, lässt sich aus dieser Stelle des Qur’ans ableiten:

Und als dein Herr zu den Engeln sagte: ‚Ich bin dabei, auf der Erde einen Statthalter einzusetzen‘, da sagten sie: ‚Willst Du auf ihr etwa jemanden einsetzen, der auf ihr Unheil stiftet und Blut vergießt, wo wir Dich doch lobpreisen und Deiner Heiligkeit lobsingen?‘ Er sagte: ‚Ich weiß, was ihr nicht wisst.‘

Qur’an, 2:30.
  1. Woher wussten die Engel nun, wie der Mensch beschaffen sein würde (verderbenbringend und blutvergießend)? Eine weit verbreitete Meinung in der Tafsir-Literatur ist, dass es Wesen gab, die Adam ähnelten und vor ihm auf der Erde lebten. Ibn Juzayy schrieb über diesen Vers:

Es heißt, dass es Dschinns gab, die die Erde bewohnten und Verderben anrichteten, so dass Gott ein Heer von Engeln gegen sie schickte, um sie zu töten. Die Engel stellten somit eine Analogie zwischen ihnen und den Menschen her.

Al-Tashil li ‘Ulum al-Tanzil (Mekka: Dar Taybah, 2018), 1:299.
  1. Da es aber meines Wissens weder durch einen expliziten Vers noch durch prophetische Hadithe oder einen wissenschaftlichen Konsens bestätigt wurde, dass es sich bei diesen Wesen tatsächlich um Dschinns handelte, könnte man vielleicht annehmen, dass es sich um Hominiden oder primitive Homo sapiens (vor der ruh) handelte. Und dass das, was der Qur’an insan, bashr und Adam nennt, der moderne Homo sapiens ist, der mit einer besonderen Eigenschaft namens Geist ausgestattet ist. Denn sobald er mit diesem ruh, diesem bewusstseinsgebenden Geist, ausgestattet war, war er nicht mehr nur ein Tier, dessen physische und psychische Prozesse alle auf rein materielle und irdische Ziele ausgerichtet waren. Sobald der Mensch von diesem ruh beseelt war, entstand in seiner Psyche und seiner Physiologie eine neue Art von Bewusstsein, das „Ich“ und „Mich“ sagen konnte, das sich selbst als ein Objekt betrachten konnte, das Gott kannte, und das Urteile über Wahrheit, Schönheit und Güte fällen konnte. Das heißt, es hatte die Fähigkeit, sich seiner selbst, Gottes und seiner Werte bewusst zu sein. Was auch immer die Wahrheit ist, was ich vorschlage, ist nur ein Denkanstoß. Es soll keine unumstößliche Behauptung sein. Und im Einklang mit islamischen pietistischen Normen möchte ich an dieser Stelle anmerken: wa’Llahu a’lam – „Und Gott weiß es am besten“.

Fazit

  1. Natürlich brauchen wir keinen religiösen Glauben, um Wissenschaft zu betreiben. Der religiöse Glaube (oder das Fehlen dessen) eines Wissenschaftlers, der eine Entdeckung macht, wird durch die Entdeckung nicht bewiesen. Keplers Gesetze der Planetenbewegung oder Newtons Gravitationsgesetz bestätigen den Theismus genauso wenig wie die Entdeckung der DNA-Doppelhelix durch Watson und Crick den Atheismus beweist. Was die Wissenschaft immer wieder zeigt, ist, dass Entdeckungen gemacht werden, ohne dass man zwangsläufig von einem Gott ausgehen muss, auch wenn manche Menschen durch ihren religiösen Glauben zur Wissenschaft inspiriert werden. Zweifellos bringen sowohl Theisten als auch Atheisten ihre eigenen philosophischen Annahmen in die Wissenschaft ein. Naturalismus oder Materialismus sind die bevorzugten atheistischen Annahmen. Dass es ein Ordnungsprinzip hinter dem Universum gibt, wie bewusstes Leben aus lebloser Materie entstanden ist und warum es etwas und nicht nichts gibt, ist die theistische Annahme. Die Frage, ob die Wissenschaft für den Theismus oder den Atheismus spricht, wird immer noch leidenschaftlich und heftig diskutiert. Was Wissenschaftler vermeiden müssen, ist die Annahme, dass, nur weil die Wissenschaft einen Mechanismus für ein bestimmtes Naturphänomen nachweist, es deshalb keinen Akteur hinter dem Mechanismus gibt. Denn Mechanismus und Wirkung gehören nicht in dieselbe Kategorie. Eine solche reduktionistische Sichtweise ist unangebracht, auch wenn Albert Einstein nicht ganz unrecht hatte, als er schrieb:

Es ist oft gesagt worden, und sicher nicht zu Unrecht, dass der Wissenschaftler ein schlechter Philosoph ist.

  1. Dawkins, The Blind Watchmaker (London: Longmans, 1986), 1.
  2. Am I a Monkey? (Baltimore: The Johns Hopkins University Press, 2010), 20.
  3. Ebd., 20-21.
  4. Dawkins, The Greatest Show on Earth (Great Britain: Black Swan, 2010), 9-10; Collins, The Language of God (Great Britain: Pocket Books, 2007), 141-2.
  5. Wie in Ayala, Am I A Monkey?, 50-51 beschrieben.
  6. Anmerkung ITV: Im Verstand, d. h. der Prozess hat sich nichts dabei gedacht
  7. Anmerkung ITV: Anspielung auf die Tatsache, dass auf Feiern jemand interessante Gesprächsthemen/Fakten, die viele nicht wissen, erzählt, um gut anzukommen und für Gesprächsstoff zu sorgen :D
  8. Anmerkung ITV: Im Englischen bekannt als „God of the gaps“
  9. Zu dem, was für Gott rational notwendig (wajib), möglich (mumkin, ja’iz) und unmöglich (mustahil) ist, siehe in der islamischen Theologie: al-Safarini, Lawami’ al-Anwar al-Bahiyyah (Riyadh: Dar al-Tawhid, 2016), 1:263; al-Bayjuri, Tuhfat al-Murid (Kairo: Dar al-Salam, 2006), 68-75.
  10. Siehe: al-Saffarini,  Lawami‘ al-Anwar al-Bahiyyah, 3:736-46.
  11. Siehe: Ramic, Language and the Interpretation of Islamic Law (Cambridge: The Islamic Texts Society, 2003), 198.
  12. Anmerkung ITV: Der englische Wortlaut lautet hier: Staub.
  13. The Language of God, 199.

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