Anmerkung zum Transkript

Das vorliegende Transkript wurde auf das Wesentliche gekürzt. Stellen, die den Lesefluss stören könnten – wie längere Denkpausen, Füllwörter („Ähm’s“), Versprecher, Wiederholungen sowie Interaktionen mit dem Publikum, die nicht unbedingt zum Kern des Vortrags beitragen – wurden entfernt. Zudem wurden einige Sätze umgestellt oder leicht angepasst und ergänzt, um den Text flüssiger und verständlicher zu gestalten und den beabsichtigten Kontext klarer zu vermitteln. Darüber hinaus haben wir das Transkript in mehrere in sich abgeschlossene Abschnitte unterteilt, um den Lesefluss zu verbessern und die Bedeutung und Schwere der Worte besser hervorzuheben. Diese Anpassungen wurden vorgenommen, ohne den Inhalt oder die beabsichtigte Botschaft zu verändern. Alle wesentlichen Informationen und Bedeutungen bleiben unverändert.

Einführung und kurze Wiederholung

Imran Hussein: Bismillah, inna alhamdulillah, wa salatu wa salam ala rasulillah. Assalamu’aleyykum wa rahmatullah, Brüder.

Aus dem Studentenkreis: Wa aleyykumu salam wa rahmatullahi wa barakatuhu.

Imran Hussein: Brüder, inshaAllah setzen wir heute dort an, wo wir letzte Woche aufgehört haben. Kann sich jemand erinnern, wo wir stehen geblieben sind?

Ein Student: Haben wir nicht über den Positivismus gesprochen?

Imran Hussein: Lasst uns kurz zusammenfassen, was wir bisher behandelt haben. Wer war bei allen Sitzungen dabei? Was haben wir in der ersten Sitzung gemacht?

Ein Student: Ging es nicht um Weltanschauungen?

Imran Hussein: Genau, wir haben uns mit Weltanschauungen und ihrer Bedeutung beschäftigt. Wir haben definiert, was Weltanschauungen eigentlich sind. Was haben wir danach besprochen?

Ein Student: Über die verschiedenen Ideologien, insbesondere wie sie aus der Aufklärung hervorgegangen sind. Wir sind sie alle durchgegangen und haben besprochen, was sie bedeuten.

Imran Hussein: Genau. Wir haben uns beispielsweise den Liberalismus angesehen, also die moderne, säkulare Weltanschauung, die heute dominant ist. Wir haben analysiert, wie sie zur vorherrschenden Ideologie wurde. Dabei haben wir auch die Geschichte betrachtet: angefangen bei der Aufklärung, davor die wissenschaftliche Revolution, noch früher die Renaissance und sogar die Rolle der muslimischen Geschichte, die möglicherweise einen Beitrag dazu geleistet hat. Und was war unser Thema in der letzten Sitzung? Erinnert ihr euch?

Ein Student: Ja, wir haben über unsere Weltanschauung gesprochen, die auf Offenbarung, Empirie und Rationalität basiert, im Gegensatz zu einer, die sich ausschließlich auf Wissenschaft und Experimente stützt. Ihre Sichtweise ist begrenzt, während unsere umfassender und weiser ist.

Imran Hussein: Genau. Wir haben die Krise der Moderne thematisiert und uns zuerst mit der Krise des Wissens beschäftigt. Wir haben sie so definiert: Trotz großer Fortschritte in Wissenschaft und Technologie bestand die Krise darin, dass andere Wissensquellen als ungültig abgelehnt wurden. Der Fokus lag ausschließlich auf Wissenschaft und Rationalität, während andere Formen des Wissens generell ausgeschlossen wurden.

Ja, diese Fortschritte sind beachtlich, aber sie haben die Menschheit auch von anderen Formen des Wissens abgeschnitten. Wie du schon gesagt hast, haben wir das mit der islamischen Perspektive verglichen und festgestellt, dass unser Fundament der Wissensquellen viel umfangreicher ist. Wir beziehen Offenbarung, Empirie, Rationalität, die fitra und mehr ein.

Die Sinneskrise

So weit waren wir letzte Woche. Heute werden wir die anderen Krisen behandeln inshaAllah: die Sinneskrise [Krise der Bedeutung], die Krise der Moral und die Identitätskrise. Wir konzentrieren uns zunächst auf die Sinnkrise. Wir haben bereits einige Aspekte des Themas gestreift, aber was würdet ihr sagen: Was ist das Hauptproblem in der modernen Welt, wenn es um den Sinn des Lebens geht?

Ein Student: Ich denke, es liegt daran, dass die Menschen alles aus einer subjektiven Perspektive betrachten. Dadurch wird es schwierig zu definieren, was wirklich sinnvoll ist, wenn im Grunde alles gleichermaßen sinnvoll sein kann.

Imran Hussein: Genau, das ist der springende Punkt: Es ist subjektiv. Wenn eure Weltanschauung keinen Platz für das Göttliche oder die Offenbarung des Göttlichen hat, gibt es eine klare Begrenzung. Denn woher stammen dann eure Informationen und euer Wissen? Nur vom Menschen selbst, von seiner Vernunft. Und wenn ihr euch nur auf den menschlichen Verstand verlasst, ist alles subjektiv, abhängig von Einzelpersonen oder Gruppen von Menschen. Dasselbe gilt für den ultimativen Sinn des Lebens – es bleibt begrenzt.

Wenn man sich Philosophen ansieht, die sich mit dem Thema des Sinns des Lebens beschäftigt haben, erkennt man, dass sie oft eher den Sinn im Leben ansprechen, als die Frage nach dem Sinn des Lebens zu beantworten. Diese zwei Kategorien werden oft unterschieden, weil die Frage nach dem ultimativen Sinn des Lebens – warum wir existieren – für sie ein äußerst schwieriges Thema ist. Und wir werden dies weiter analysieren.

Im Allgemeinen ist es so: Ohne den Glauben an eine höhere Macht, einen Schöpfer oder eine Offenbarung von diesem Schöpfer, bleibt die Frage nach dem Sinn des Lebens unbeantwortet. Deshalb beschäftigen sie sich hauptsächlich mit dem Sinn im Leben. Was denkt ihr, meinen sie mit Sinn im Leben?

Ein Student: Ich denke, es geht darum, Wege zu finden, bestimmte Dinge zu tun, die dir das Gefühl geben, dass dein Leben Bedeutung hat und du deinen Sinn erfüllst. 

Imran Hussein: Genau. Es geht darum, welchen Sinn wir unserem Leben selbst zuschreiben wollen, welche Ziele wir uns setzen und worum es in unserem Leben gehen soll.

Ein Student: Aber es gibt noch eine Einschränkung: Man versucht, in der materiellen Welt einen Sinn zu finden, und dieser Sinn kann sich jederzeit ändern. Genau deshalb entsteht diese Krise, weil dieser Sinn so vergänglich ist und sich leicht ändern lässt. Im Gegensatz dazu bleibt das Göttliche konstant, und dieser Sinn ist unveränderlich. Dadurch entsteht für den Gläubigen eine Ebene des Friedens, weil der Sinn so beständig ist. Hingegen erlebt der andere eine Krise, da sein Sinn jederzeit ins Wanken geraten kann.

Imran Hussein: Ja, genau. Es gibt keine Grundlage, keinen ultimativen Halt, keinen objektiven Anker. Man bleibt in einem fließenden Zustand zurück, in dem alles ständig in Bewegung ist. Selbst der Sinn im Leben ist veränderlich, während der Sinn des Lebens unerreichbar bleibt. Es ist im Grunde genommen ganz simpel: Wenn es keinen Gott gibt, keinen Schöpfer, dann bedeutet das, dass alles, was existiert – das Universum und alles darin – ein purer Zufall ist. Es gab keine Absicht, kein zielgerichtetes Handeln eines äußeren Wesens, das die Welt so geformt hat, wie sie ist. Wir existieren einfach zufällig in diesem Universum. Das heißt, wir sind durch Zufall hier.

Die Frage nach dem ultimativen Sinn des Lebens? Ganz ehrlich, wenn man konsequent atheistisch denkt, gibt es ihn schlichtweg nicht. Die Frage nach dem Sinn im Leben hingegen ist etwas leichter zu beantworten, denn hierbei geht es darum, sich selbst einen Sinn zu geben – einen, den man selbst festlegt. Im Wesentlichen kannst du dir deinen eigenen Sinn erschaffen. Und genau darauf konzentrieren sich die meisten Menschen.

Die existenzialistischen Philosophen

Aus diesem Grund gab es im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine große Bewegung von existentialistischen Philosophen. Wer von euch kann einige dieser Existentialisten benennen?

Ein Student: War Nietzsche einer?

Imran Hussein: Nietzsche, richtig!

Ein anderer Student: Albert Camus.

Imran Hussein: Camus, ja, genau. Noch jemand? Es gab noch einige andere, aber wir vergessen einen besonders prominenten Denker, der oft als Vater des Existentialismus angesehen wird.

Ein Student: Ich glaube, ich habe den Namen vergessen. War es nicht Jean … irgendwer?

Imran Hussein: Richtig! Jean-Paul Sartre. Er war eine der zentralen Figuren dieser Bewegung. Es gibt ein sehr interessantes Zitat von ihm:

Der Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein, denn sobald er in die Welt geworfen wird, ist er für alles verantwortlich, was er tut. Es liegt an dir, dem Leben einen Sinn zu geben.

Damit bringt er es auf den Punkt: Du bist hier, du bist frei. Die Wortwahl ist interessant, wenn man sie analysiert. Diese Vorstellung, dass es keinen ultimativen Sinn des Lebens gibt und dass man sich seinen eigenen Sinn schaffen muss, wirkt auf den ersten Blick düster und deprimierend.

Doch die Existentialisten waren sehr geschickt und sorgfältig in ihrer Sprache und Wortwahl. Sie versuchten, dies fast in etwas Positives umzukrempeln. Man sieht es hier bei Sartre, denn er sagt: „Du wirst frei geboren, du schaffst dir deinen eigenen Sinn.“ Diese Sprache war darauf ausgelegt, die Menschen zu stärken. Sie wussten, dass sich viele, nachdem sie sich von Religion und Gott abgewandt hatten und angesichts von Kriegen und Gräueltaten, in einem deprimierten Zustand befanden. Die Menschen suchten nach einem Sinn und als dann die Existentialisten auftauchten, wurden sie beinahe wie Superstars. Sie gaben den Menschen das, was sie brauchten.

Ein ähnliches Phänomen lässt sich heutzutage beobachten, zum Beispiel bei Jordan Peterson. Es ist ein sehr ähnliches Muster. Es gab in der Gesellschaft eine Lücke, ein Gefühl der Leere, insbesondere bei jungen Männern. Viele fühlten sich verloren, sie wussten nicht, was der Sinn ihres Lebens war, was sie tun sollten oder wohin ihr Leben gehen sollte. Dann betritt Jordan Peterson die Bühne und spricht genau über diese Themen – die Dinge, die die Menschen beschäftigen.

Die Leute fangen an, ihm zu folgen, und er wird extrem berühmt und populär. Wenn man seine Konzepte, Philosophien und Ideen wirklich analysiert, stellt man fest, dass es im Wesentlichen Existentialismus ist – nur neu verpackt. Genau das hat er getan: Er hat den Existentialismus neu aufgelegt.

Die Existentialisten wurden damals sehr bekannt und populär. Eines ihrer Hauptziele war es, den Menschen wieder einen Sinn im Leben zu geben. Sartre sprach beispielsweise über Verantwortung – darüber, dass man seinen eigenen Sinn und sein eigenes Schicksal schaffen müsse. Jemand hat Nietzsche erwähnt. Was würdet ihr sagen, was waren Nietzsches Beiträge?

Ein Student: Nihilismus.

Imran Hussein: Ja, er sprach definitiv über Nihilismus und das Problem, das dieser mit sich bringt. Aber was war seine Lösung? Was war sein positiver Beitrag?

Ein Student: War es nicht, alles zu zerstören und von Grund auf neu anzufangen?

Imran Hussein: Ja, man könnte sagen, dass er diesen Ansatz in seiner Philosophie verfolgte.

Ein anderer Student: Also, wie du gesagt hast, man muss sich seinen eigenen Sinn schaffen. Es gibt kein Richtig oder Falsch, es ist alles subjektiv, oder?

Imran Hussein: Genau, du bist auf der richtigen Spur. In vielerlei Hinsicht sagte Nietzsche genau das: von Grund auf neu beginnen, alles andere hinter sich lassen – all diese auferlegten Normen und Direktiven für die Menschen – und seinen eigenen Sinn im Leben erschaffen. So entwickelte er das Konzept des Übermenschen, des „Superman“, eines idealisierten Menschen, der seine eigenen Moralvorstellungen, seinen ethischen Kodex und seine eigene Lebensrichtung bestimmt. Dieser Übermensch ist gestärkt und übernimmt eine Führungsrolle.

Dann gibt es Camus. Es gab noch andere Existentialisten, aber ich denke, Camus hebt sich von den eher traditionellen Existentialisten wie Sartre und Nietzsche ab, obwohl auch Nietzsche und Sartre sehr unterschiedliche Ansätze hatten. Camus wurde oft als Absurdist bezeichnet.

Sein Konzept des Absurden besagt im Wesentlichen Folgendes: Das Leben hat keinen ultimativen Sinn, aber der Mensch kann nicht anders, als ständig nach einem Sinn zu suchen. Es ist, als ob man in einem permanenten Kampf gefangen ist – man weiß, dass es keinen Sinn gibt, aber man kann nicht aufhören, danach zu suchen. Es ist wie die Sage von Sisyphos: Man schiebt unaufhörlich einen Felsen den Hügel hinauf, obwohl man weiß, dass er wieder herunterrollen wird. Man ist in dieser absurden Realität gefangen: Es gibt keinen Sinn, aber die Suche danach lässt sich nicht abschalten.

Ich lese euch ein interessantes Zitat von Camus vor, in dem er sagte:

Der buchstäbliche Sinn des Lebens ist das, was dich davon abhält, dich selbst zu töten.

Ziemlich bemerkenswert, oder? Er erkannte, dass die Menschen in einem zutiefst deprimierenden Zustand waren, weil sie nicht wussten, was der Sinn des Lebens ist. Camus war sich bewusst, dass es keinen ultimativen Sinn des Lebens gibt – es gibt einfach keinen. Und deshalb sagte er: Der Sinn deines Lebens ist das, was dich davon abhält, dich selbst umzubringen. Was auch immer das ist, mach genau das.

Natürlich ist das eine sehr düstere und deprimierende Sichtweise, nicht wahr? Aber was sagt uns das eigentlich über den Sinn des Lebens?

Ein Student: Er ist subjektiv.

Imran Hussein: Genau, er ist subjektiv – im Grunde genommen ist es einfach das, was dich am Leben hält. Wenn Trinken dich am Leben hält, dann trink weiter. Wenn Rauchen dich am Leben hält, dann rauch weiter. Wenn das Begehen von Verbrechen dich am Leben hält, dann begeh weiter Verbrechen. Mach einfach das, was dich am Leben hält.

Er war nicht so optimistisch wie die anderen Existentialisten, aber man bekommt ein Verständnis dafür, womit sie sich auseinandergesetzt haben. Sie hatten eine sehr schwierige, fast unmögliche Aufgabe, würde ich sagen: den Menschen einen ultimativen Sinn zu geben – ohne Gott. Das ist schlichtweg unmöglich.

Damals dachten die Menschen noch über solche Dinge nach, wie die Bedeutung und den Sinn des Lebens, weil es nicht so viele Ablenkungen gab wie heute. Heute ist die Welt ein völlig anderer Ort. Man ist fast ständig abgelenkt. Es gibt so viele Dinge, die einen beschäftigen, dass sich die meisten Menschen gar keine Gedanken mehr über Fragen wie „Was ist der Sinn des Lebens?“ machen. Die meisten philosophieren nicht mehr darüber oder denken tiefgehend nach. Und Menschen, die das doch tun, werden oft als seltsam angesehen.

Die Mehrheit der Menschen konzentriert sich darauf, Spaß zu haben, das Leben zu genießen, Zeit mit Freunden zu verbringen, zu feiern, Geld auszugeben – kurz gesagt: auf Hedonismus. Die vorherrschende Mentalität ist: Genieße einfach dein Leben, mach dir keine Gedanken über solche Dinge.

Deshalb schätzen die meisten Menschen solche Überlegungen heutzutage nicht mehr so sehr. Doch das Problem bleibt bestehen, denn irgendwann denkt jeder über diese Fragen nach: „Was ist der Sinn meines Lebens?“ Es könnte eine Lebenskrise sein, der Verlust eines geliebten Menschen, eine Tragödie oder eine Prüfung im Leben, die jemanden dazu bringt, über solche Themen nachzudenken.

Ein gutes Beispiel dafür war die Covid-Pandemie. Während dieser Zeit stiegen die Depressionsraten offenbar deutlich an, auch wenn dies nicht groß thematisiert wurde. Viele Menschen waren niedergeschlagen und suchten nach dem Sinn des Lebens. Ich erinnere mich an ein Experiment, über das ich vor einiger Zeit gelesen habe: Man nahm hochbeschäftigte Geschäftsleute und CEOs, die ständig in Bewegung und stark eingespannt waren, und setzte sie für einige Stunden in einen Raum – ohne Handys, ohne Ablenkungen, einfach gar nichts. Und einige von ihnen wurden fast verrückt.

Denn wenn man Menschen von all ihren Ablenkungen trennt, beginnen sie nachzudenken: „Was mache ich eigentlich in diesem Leben? Worum geht es hier? Wohin führt mich mein Weg? Was ist mein Ziel?“ Genau das geschah während der Covid-Zeit. Die Pandemie riss die Menschen aus ihrem gewohnten Alltag und nahm ihnen die üblichen Ablenkungen. Alles war geschlossen, Lockdown – und plötzlich saßen die Menschen still da und begannen, sich solche Fragen zu stellen.

Aus einer liberalen, säkularen, atheistischen Perspektive jedoch, wie wir bereits gesagt haben, gibt es auf diese Fragen keine endgültigen Antworten. Man wird keine tiefgründigen Lösungen finden. Das Beste, was man tun kann, ist, sich selbst etwas auszudenken und zusammenzureimen und damit irgendwie zurechtzukommen.

Gegenargumente bei Gleichgültigkeit

Aber wie würdest du jemandem begegnen, der sagt: „Ja, es gibt keinen ultimativen Sinn des Lebens. Ich erfinde meinen eigenen Sinn.“ Wie könnte man darauf reagieren? Wie würdest du mit einer solchen Person sprechen?

Ein Student: Ich würde fragen: „Und worauf basiert dieser Sinn, den du dir ausgedacht hast?“

Imran Hussein: Na ja, die Person sagt: „Ich denke mir meinen Sinn einfach selbst aus. Ich erfinde etwas, das für mich funktioniert.“ Aber wie könnte man auf so eine Aussage eingehen? Was denkt ihr, was hier eigentlich vor sich geht? Es ist eine ziemlich knifflige Situation, weil wir es hier mit jemandem zu tun haben, der sich mit seinem Elend offenbar abgefunden hat und sich inzwischen darin wohlfühlt.

Ein Student: Ich würde sagen: „Was für dich von Bedeutung ist, müsste doch dann auch für andere von Bedeutung sein, oder?“

Imran Hussein: Die Person würde wahrscheinlich antworten: „Nein, nicht unbedingt. Meine Bedeutung ist meine Bedeutung, deine Bedeutung ist deine Bedeutung, jeder hat seine eigene, und das ist in Ordnung.“

Ein Student: Das ist aber ein Widerspruch.

Imran Hussein: Das wird sie nicht stören. Sie wird einfach sagen: „Deine Bedeutung widerspricht meiner, und das ist okay.“

Ein Student: Was ist, wenn man sie auf die negativen Konsequenzen und Probleme ihrer Sichtweise hinweist, also auf die Schwächen in ihrer selbst erfundenen Bedeutung?

Imran Hussein: Das wäre eine mögliche Herangehensweise. Man könnte ihre spezifische Vorstellung von Sinn und Bedeutung hinterfragen, indem man sie dazu bringt, ihre eigene Perspektive zu reflektieren.

Aber nehmen wir ein Beispiel: Du sprichst mit jemandem, dessen selbst geschaffener Lebenssinn darin besteht, Wohltätigkeitsarbeit zu leisten und Armen zu helfen. Das ist eine edle Sache. Lasst uns das differenziert betrachten, denn nicht alles ist schwarz und weiß.

Ein Student: Es gibt tatsächlich Menschen, die das tun. Sie engagieren sich für bestimmte Anliegen, etwa für den Tierschutz. Manche setzen sich für Hunde, Katzen oder andere Tiere ein.

Ein anderer Student: Glaubst du, dass diese Fragen sowohl die Sinnkrise als auch die Identitätskrise betreffen? Denn das, was sie tun, könnte nicht nur eine Bedeutung haben, sondern auch ein Teil ihrer Identität sein – so etwas wie: „Ich bin jemand, der Menschen hilft“ oder „Ich bin jemand, der Tiere schützt.“ Es scheint fast, als ob sie ihre Identität daraus ziehen. Vielleicht könnte man das ansprechen, indem man zeigt, wie flüchtig diese Bedeutungen sein können. Sie ändern sich. Was du vor 10 Jahren für wichtig gehalten hast, könnte heute keine Rolle mehr spielen. Und in 10 Jahren könnte es wieder ganz anders aussehen. Warum fühlst du dich also so sicher und wohl in einer Bedeutung, die so wandelbar ist?

Imran Hussein: Das ist ein guter Ansatz. Du kannst darauf hinweisen, dass jede Bedeutung, die sie sich selbst geben, im Grunde etwas ist, das sie sich selbst ausgedacht haben. Es war nicht immer so, und es muss auch nicht so bleiben. Vor ein paar Jahren hätten sie vielleicht eine ganz andere Bedeutung gewählt, und in fünf Jahren könnte es wieder eine andere sein. Das zeigt doch, wie vergänglich und unsicher diese selbst geschaffene Bedeutung ist. Sie basiert auf nichts und steht auf wackligen Beinen. Warum also sollte man sein ganzes Leben einer Sache widmen und verschreiben, die nur ein Produkt der eigenen Gedanken ist? Dieses Konzept ist ziemlich problematisch, weil du so viel Zeit und Mühe in etwas investierst, das du dir nur selbst ausgedacht hast.

Vielleicht antwortet sie: „Ich bin überzeugt, dass dies das Richtige ist.“ Dann könntest du wieder auf das moralische Dilemma eingehen: „Woher weißt du, dass es das Richtige ist? Worauf basiert deine Überzeugung?“ Das ist eine Möglichkeit, das Gespräch zu führen.

Der ultimative Sinn

Eine andere Möglichkeit wäre, ihnen die Bedeutung eines ultimativen Sinns aufzuzeigen. Denn das ist die entscheidende Frage: Ist ein ultimatives Ziel überhaupt wichtig? Das ist eine zentrale Überlegung, denn um von einer Krise sprechen zu können, müsste es für uns wichtig sein, einen ultimativen Sinn zu haben. Was denkt ihr, ist ein ultimativer Sinn essenziell?

Ein Student: Wir können die Idee, die sie haben – ihre erfundene Bedeutung – hinterfragen. Sie ist vorübergehend. Was passiert, wenn du stirbst? Was ist dann der Sinn des Lebens? Und was ist mit einem Sinn des Lebens, den du nicht selbst erfunden hast, sondern der dir gegeben wurde? Wenn es sich um jemanden handelt, der Christ ist oder an religiöse Überzeugungen glaubt, könnten wir auf dieser Basis argumentieren. Wenn nicht, können wir eine andere Perspektive wählen, um die eigentliche Bedeutung des Lebens zu hinterfragen – nicht nur für ihn, sondern für die gesamte Menschheit, das Universum, die Erde, für alles. Wir könnten sie leicht herausfordern, indem wir sagen, dass unser Sinn darin besteht, Allah subhana wa ta’ala anzubeten.

Wenn du deinen Sinn darin siehst, Wohltätigkeitsarbeit zu leisten, könnte es passieren, dass du eines Tages diese Arbeit nicht mehr magst. Hast du dann deinen gesamten moralischen Kompass verloren? Deine Bedeutung ist nur vorübergehend. Ein Zweck sollte langfristig sein und nicht kurzfristig. Denn sobald du ihn erreicht hast, ist er vorbei. Was kommt danach?

Ein anderer Student: Was die Frage betrifft, warum der ultimative Sinn gut ist, so könnte man ein Beispiel heranziehen, das oft in der Dawa verwendet wird. Stell dir vor, du wirst zufällig in einen Zug gesetzt, einfach hineingeworfen. Was wären die ersten Fragen, die du stellen würdest? „Wer hat mich hierher gebracht? Wohin gehe ich? Warum bin ich hier?“ Stell dir vor, es gibt ein Fünf-Sterne-Menü vor dir, die besten Ablenkungen der Welt – aber trotzdem würden diese Fragen in deinem Kopf nagen, weil sie so grundlegend sind. Ich bin mir nicht sicher, wer das gesagt hat, aber mit einem „Warum“ kann man jedes „Wie“ beantworten. Aber ohne ein „Warum“ …

Imran Hussein: Ich glaube, Nietzsche hat das gesagt, wenn ich mich nicht irre.

Derselbe Student: Ja, genau. Dieses erste „Warum“, dieses ultimative „Warum“, ist es, das uns ermöglicht zu wachsen und darauf alles andere aufzubauen.

Imran Hussein: Ja, es muss fundiert sein. Wie du gesagt hast: Wenn du plötzlich in einem Zug aufwachen würdest, der mit 100 Meilen pro Stunde fährt, und du keine Ahnung hättest, wie du dorthin gekommen bist, wer dich dorthin gebracht hat oder wohin der Zug fährt – ganz egal, wie viele Luxusgüter es in diesem Zug gibt, du würdest dich nicht wohlfühlen, weil dir die Antworten auf diese grundlegenden Fragen fehlen.

Ein Student: Wohin gehe ich überhaupt?

Imran Hussein: Richtig, wohin gehe ich? Wer hat mich in diesen Zug gesetzt? Und warum? Ohne Antworten wirst du nicht glücklich sein.

Ein Student: Es wird ein Leben in ständiger Angst sein.

Imran Hussein: Ja, und stell dir vor, in diesem Szenario würdest du zu dir selbst sagen: „Nein, es gibt keine Antworten. Es ergibt keinen Sinn. Niemand hat mich hierher gebracht, und der Zug fährt nirgendwohin.“ Das wäre doch völliger Unsinn, denn der Zug bewegt sich ja, er fährt irgendwohin.

Ein Student: Das allein ist schon eine Krise.

Ein Student: Wir können die Idee, die sie haben – ihre erfundene Bedeutung – hinterfragen. Sie ist vorübergehend. Was passiert, wenn du stirbst? Was ist dann der Sinn des Lebens? Und was ist mit einem Sinn des Lebens, den du nicht selbst erfunden hast, sondern der dir gegeben wurde? Wenn es sich um jemanden handelt, der Christ ist oder an religiöse Überzeugungen glaubt, könnten wir auf dieser Basis argumentieren. Wenn nicht, können wir eine andere Perspektive wählen, um die eigentliche Bedeutung des Lebens zu hinterfragen – nicht nur für ihn, sondern für die gesamte Menschheit, das Universum, die Erde, für alles. Wir könnten sie leicht herausfordern, indem wir sagen, dass unser Zweck darin besteht, Allah subhana wa ta’ala anzubeten.

Wenn du deinen Sinn darin siehst, Wohltätigkeitsarbeit zu leisten, könnte es passieren, dass du eines Tages diese Arbeit nicht mehr magst. Hast du dann deinen gesamten moralischen Kompass verloren? Deine Bedeutung ist nur vorübergehend. Ein Zweck sollte langfristig sein und nicht kurzfristig. Sobald du ihn erreicht hast, ist er vorbei. Was kommt danach?

Ein anderer Student: Zum Beispiel könnte man sagen, warum die ultimative Bedeutung so wichtig ist. Ein Beispiel, das in der Dawa oft verwendet wird: Stell dir vor, du wirst zufällig in einen Zug gesetzt, einfach hineingeworfen. Was wären die ersten Fragen, die du stellen würdest? „Wer hat mich hierher gebracht? Wohin gehe ich? Warum bin ich hier?“ Stell dir vor, es gibt ein Fünf-Sterne-Menü vor dir, die besten Ablenkungen der Welt – aber trotzdem würden diese Fragen in deinem Kopf nagen, weil sie so grundlegend sind. Ich bin mir nicht sicher, wer das gesagt hat, aber mit einem „Warum“ kann man jedes „Wie“ beantworten. Aber ohne ein „Warum“ …

Imran Hussein: Ich glaube, Nietzsche hat das gesagt, wenn ich mich nicht irre.

Derselbe Student: Ja, genau. Dieses erste „Warum“, dieses ultimative „Warum“, ist es, das uns ermöglicht zu wachsen und darauf alles andere aufzubauen.

Imran Hussein: Ja, es muss fundiert sein. Wie du gesagt hast: Wenn du plötzlich in einem Zug aufwachen würdest, der mit 100 Meilen pro Stunde fährt, und du keine Ahnung hättest, wie du dorthin gekommen bist, wer dich dorthin gebracht hat oder wohin der Zug fährt – ganz egal, wie viele Luxusgüter es in diesem Zug gibt, du würdest dich nicht wohlfühlen, weil dir die Antworten auf diese grundlegenden Fragen fehlen.

Ein Student: Wohin gehe ich überhaupt?

Imran Hussein: Richtig, wohin gehe ich? Wer hat mich in diesen Zug gesetzt? Und warum? Ohne Antworten wirst du nicht glücklich sein.

Ein Student: Es wird ein Leben in ständiger Angst sein.

Imran Hussein: Ja, und stell dir vor, in diesem Szenario würdest du zu dir selbst sagen: „Nein, es gibt keine Antworten. Es ergibt keinen Sinn. Niemand hat mich hierher gebracht, und der Zug fährt nirgendwohin.“ Das wäre doch völliger Unsinn, denn der Zug bewegt sich ja, er fährt irgendwohin.

Ein Student: Das allein ist schon eine Krise.

Imran Hussein: Genau das ist eine Krise, und sie grenzt fast schon an Wahnsinn. Es wäre absurd zu behaupten, dass dich niemand in den Zug gesetzt hat, der Zug nirgendwohin fährt und es keinen Sinn oder kein Ziel gibt. Denn diese Fragen sind real und drängen sich auf. Schau doch mal: Wir bewegen uns durchs Leben. Wir haben nicht immer existiert, wir waren nicht ewig hier. Wir kamen zu einem bestimmten Zeitpunkt in die Existenz, alle von uns, und wir werden zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder gehen. Zwischen dem Eintritt und dem Austritt bewegen wir uns durch die Zeit, wie ein Zug, der fährt. Zu sagen, dass wir aus dem Nichts kommen, niemand uns hierher gebracht hat, wir ohne Grund hier sind und nirgendwo hingehen, ist absurd. Es gibt keinen vernünftigen Grund, eine solche Vorstellung zu akzeptieren. Und genau das stellt diese Weltanschauung infrage, die nicht in der Lage ist, diese grundlegenden Fragen umfassend zu beantworten.

Man kann betonen, dass wir Menschen in allem, was wir tun, mit Bedeutung und Zweck handeln. Jeden Morgen wachst du mit einem Ziel auf. Du frühstückst mit einem Zweck. Du ziehst dich mit einem Ziel an. Du putzt dir die Zähne, um etwas Bestimmtes zu erreichen. Du verlässt das Haus, um etwas zu erledigen. Du arbeitest, du isst zu Mittag, du kommst nach Hause und gehst schlafen – all diese Handlungen haben einen Sinn und Zweck.

Wenn du zum Beispiel Ingenieur bist, entwirfst du Dinge immer mit einer klaren Funktion. Kein Ingenieur würde etwas entwerfen, das vollkommen bedeutungslos ist oder keinem Zweck dient. Niemand sagt: „Ich entwerfe etwas, das keinerlei Funktion hat.“ Es steckt immer ein Ziel dahinter. Dasselbe gilt für Wissenschaftler: Wenn sie forschen, suchen sie stets nach Bedeutungen und Zusammenhängen. Als Menschen agieren wir mit Bedeutung und Zweck. Alles um uns herum hat einen Zweck.

Betrachtet diesen Raum: Alles, was hier von Menschen – wenn man so will – geschaffen wurde, erfüllt eine Funktion. Es gibt kaum etwas Überflüssiges. Du würdest schwer etwas finden, das keinen klaren Zweck hat. Aber wenn es um unsere eigene Existenz geht, behaupten wir plötzlich, es gäbe keinen Sinn oder keinen ultimativen Zweck? Das widerspricht unserem grundlegenden Wesen als Menschen. Es ergibt keinen Sinn, weil wir nicht so funktionieren.

Die Frage nach dem Sinn und Zweck des Lebens ist tief in uns verwurzelt. Wir brauchen Antworten darauf, denn ohne sie fühlt sich das Leben unvollständig an. Viele versuchen, sich selbst mit Ablenkungen oder erfundenen Bedeutungen zu helfen, doch das sind nur kurzfristige Lösungen. Sie mögen eine Zeit lang funktionieren, aber irgendwann wirst du feststellen–

Stell dir vor, jemand sagt: „Mein Ziel im Leben ist es, Wohltätigkeitsarbeit zu leisten und den Armen zu helfen. Dafür werde ich mein Leben opfern. Ich werde nach Afrika oder Asien gehen und die nächsten 20 Jahre meines Lebens dort verbringen.“ Das ist ohne Zweifel ein enormes Opfer – so viel Hingabe, so viel Mühe, Energie und Zeit. Aber eines Tages könnte die Frage auftauchen: Warum mache ich das alles? Warum investiere ich all diese Anstrengung in eine Idee, die ich mir selbst ausgedacht habe? Was macht diese Idee intrinsisch wertvoll, bedeutungsvoll, moralisch oder ethisch?

In einem atheistischen oder säkularen Weltbild, also in einer Welt ohne Gott, lässt sich die Bedeutung nicht wirklich begründen. Es bleibt nur eine Idee, ein innerer Drang, ein Gefühl oder vielleicht ein Bedürfnis, das du empfindest. Aber es fehlt die objektive Rechtfertigung. Das bedeutet nicht, dass solche Handlungen nicht gut oder lobenswert wären – natürlich sind sie das. Doch der tiefere Punkt bleibt: Es gibt keinen ultimative Sinn. Du bist einfach hier, lebst dein Leben, stirbst – und letztlich war alles nur ein Zufall. Das ist eine Krise, mit der viele Menschen zu kämpfen haben.

Die Identitätskrise

Die Identitätskrise ist eine weitere Krise. Was denkt ihr, ist das Problem, wenn wir von einer „Identitätskrise“ sprechen?

Ein Student: Es ist die Frage danach, wer wir sind.

Imran Hussein: Genau, wer wir sind – das ist zumindest ein Teilaspekt. Was sind wir? Wer sind wir? Wie, denkt ihr, würde eine gottlose Perspektive diese Frage beantworten? Vielleicht können wir das anhand bestimmter Persönlichkeiten durchleuchten: Wie würde Richard Dawkins darauf antworten, wenn ihr ihn fragen würdet?

Ein Student: Man könnte sich vorstellen, dass er so etwas sagt wie: „Du kannst sein, wer du sein willst, und lieben, wen du lieben willst.“ Sie sagen das oft, dass man sich seine Identität selbst schaffen kann. Du könntest sogar so tun, als wärst du ein Tier oder etwas Ähnliches.

Imran Hussein: Ja, genau, das ist ein wichtiger Punkt. Es gibt hier also zwei Aspekte: Erstens, was wir im Wesentlichen sind, und zweitens, was du sein möchtest, wenn es keine objektive Grundlage gibt. Wir können über beide Dimensionen sprechen, aber lass uns mit dem Grundsätzlichen beginnen: Was sind wir laut der modernen westlichen, säkularen Weltanschauung?

Ein Student: Wir sind weiterentwickelte Homo sapiens.

Imran Hussein: Ja, genau, das ist eine treffende Beschreibung – weiterentwickelte Homo sapiens. Gibt es noch andere Sichtweisen?

Ein Student: Eine zufällige Ansammlung von Atomen.

Imran Hussein: Richtig. Wenn man es aus einer stark reduktionistischen, naturalistischen Perspektive betrachtet, sind wir letztlich nichts anderes als eine Ansammlung von Atomen und Molekülen.

Ein Student: Würdest du sagen, dass zur Identitätskrise auch gehört, die Frage zu stellen: „Wer sind meine Leute?“ Also mit wem identifiziere ich mich und wo finde ich meine Zugehörigkeit?

Imran Hussein: Absolut, das gehört definitiv dazu.

Derselbe Student: Man sieht das zum Beispiel hier in Großbritannien, wo Fußballteams für viele Menschen eine zentrale Rolle in ihrer Identität spielen. Manche Menschen reagieren darauf sogar extrem emotional.

Ein anderer Student: Das kann man als eine Form von Tribalismus bezeichnen.

Imran Hussein: Ja, das ist eine Möglichkeit, es zu sehen. Aber wenn ich von Identität spreche, beziehe ich mich auf etwas Grundlegenderes: den Kern des menschlichen Wesens. Was ist der Mensch wirklich? Denn wenn du nicht weißt, was du bist, stehst du vor einem ähnlichen Problem wie bei der Frage nach dem Sinn. Wenn du keinen ultimativen Sinn hast, dann bleibt dir nur, dir einen eigenen auszudenken.

Die moderne Perspektive definiert den Menschen oft einfach als ein „intelligentes Tier“. Werfen wir einen Blick zurück auf die großen Denker der klassischen Philosophie – Sokrates, Platon und Aristoteles. Hat jemand von euch schon einmal untersucht, wie sie das Selbst oder die menschliche Natur beschrieben haben?

Sokrates hat selbst so gut wie nichts niedergeschrieben, aber Platon, sein Schüler, hat fast alle Ideen von Sokrates aufgeschrieben. Habt ihr euch schon mal damit beschäftigt? Was denkt ihr, was diese Philosophen gesagt hätten?

*Es herrscht Stille im Studentenkreis*

Ich kann euch sagen, dass alle drei Philosophen ähnliche Ansichten über das Selbst hatten, auch wenn Sokrates und Platon sich in ihren Auffassungen näher standen als Aristoteles. Aristoteles war zwar ein Schüler Platons, distanzierte sich jedoch in vielen Punkten von dessen Ideen.

Ein Student: Hat Platon nicht gesagt, dass es da draußen vielleicht einen perfekten Menschen gibt, dem wir alle nacheifern wollen?

Imran Hussein: Ja, er sprach von der „Welt der Formen“. Es wäre interessant, das zu diskutieren. Aber lasst uns zuerst klären, wie er den Menschen sah. Wie definierte er ihn?

Ein Student: Er sprach von der Essenz der Dinge – dass jeder Mensch mit einer Essenz geboren wird und dass alles eine Essenz hat.

Imran Hussein: Richtig. Platon argumentierte, dass die Essenz der Existenz vorausgeht. Die Existentialisten hingegen kehrten das um: Sie behaupteten, dass die Existenz der Essenz vorausgeht. Sie haben das Drehbuch also komplett umgeschrieben.

Ein Student: War das ähnlich zu unserer islamischen Sichtweise, was die fitra betrifft?

Imran Hussein: Ja, das ist eine gute Analyse. Ich würde sagen, es liegt näher an unserem Glauben, dass der Mensch eine Essenz hat – die Seele, die fitra, und so weiter.

Ein Student: Die Existentialisten sagten, dass die Existenz der Essenz vorausgeht. Bedeutet das, dass sie deshalb philosophisch akzeptieren, die Essenz zu verändern oder mit ihr zu spielen?

Imran Hussein: Genau das.

Ein anderer Student: Und weil sie Gott abgeschafft haben, mussten sie diese Veränderung vornehmen.

Imran Hussein: Aber anstatt es als etwas Depressives zu sehen, betrachteten sie es als etwas sehr Mächtiges. Sie sahen es als–

Ein Student: Freiheit.

Imran Hussein: Ja, sie sahen es als Freiheit. In ihrer Sicht bist du im Grunde genommen Gott: Du erschaffst deine eigene Realität, deinen eigenen Sinn, deine eigene Welt. Sie stellten es in einer sehr positiven Weise dar, aber die grundlegenden Probleme verschwinden dadurch nicht.

Sokrates – oder genauer gesagt Platon, da Platon die Ideen seines Lehrers festgehalten hat – hatte die Vorstellung, dass der Mensch aus zwei grundlegenden Teilen besteht: einer Seele und einem physischen Körper. Man muss bedenken, dass dies vor der Entstehung des Christentums war. Ihr Konzept der Seele war also anders als das religiös-christliche Verständnis. Dennoch glaubten sie, dass die Seele die Essenz des Menschen darstellt, während der Körper etwas Vergängliches und Materielles ist.

Platon ging sogar noch weiter und teilte die Seele in drei Teile auf. Der erste Teil war die rationale Seele, der zweite der spirituelle Teil, und der dritte – ich erinnere mich nicht genau an das Wort, aber es bezog sich auf die Begierden oder Triebe, also den appetitiven Teil der Seele. Diese drei Aspekte bildeten zusammen die Seele, wobei die rationale Seele die zentrale Rolle spielte.

Platon sah eine klare Unterscheidung: Die Seele war immateriell und ewig, während der Körper materiell und vergänglich war. Der Körper zerfällt, aber die Seele lebt weiter. Das war sein Konzept des Selbst.

Ein Student: Das klingt doch sehr ähnlich zu unserem islamischen Verständnis.

Imran Hussein: Ja, in vielerlei Hinsicht ist das sehr ähnlich. Allah weiß es am besten, aber wir wissen, dass es viele Propheten gab, die nicht alle namentlich erwähnt wurden. Ich sage nicht, dass Platon ein Prophet war, aber es ist möglich, dass er von den Lehren eines Propheten beeinflusst wurde, der vor ihm lebte. Vielleicht lebte ein Prophet 100 oder 200 Jahre vor Platon, und einige seiner Ideen wurden weitergegeben. Diese Parallelen könnten auf eine Verbindung hinweisen.

Aristoteles hatte eine ähnliche Sichtweise, auch wenn er den Menschen als ‚intelligentes Tier‘ bezeichnete. Für ihn hatte jedes Lebewesen eine Seele – Bäume, Tiere, Menschen. Die Seele war das, was sie lebendig machte. Dennoch definierte er den Menschen als intelligentes Tier. Sein Verständnis von Seele war jedoch schon etwas materialistischer.

Über die Jahrhunderte hinweg kann man sehen, wie sich die Vorstellung von der Seele veränderte. Während das Christentum lange Zeit die dualistische Sichtweise von Seele und Körper dominierte, führte die Aufklärung zu einer neuen Denkweise. Existenzialisten wie Sartre kehrten die Idee um: Die Existenz kommt zuerst, dann die Essenz. Sie sprachen kaum über die Seele, sondern konzentrierten sich auf den physischen, materiellen Menschen, der in einer materiellen Welt lebt.

Diese Entwicklung setzte sich bis zu den Atheisten der Neuzeit fort – Leuten wie Richard Dawkins oder Sam Harris. In ihrem Weltbild ist die Seele eine Illusion, genauso wie das Bewusstsein. Der Mensch ist nur ein physisches Wesen, ein Produkt des Zufalls, ohne Schöpfer.

Stellt euch vor, wie sie den Menschen definieren: Der Mensch ist ein zufälliges Nebenprodukt eines unvorhergesehenen Ereignisses – des Universums. Er besteht nur aus einer Ansammlung von Atomen und Molekülen. Es gibt keine Seele mehr, nur ein Gehirn, das eine Illusion namens Bewusstsein erzeugt.

Wenn das die Grundlage ist, wie definiert man dann Identität? Wie identifizierst du dich, wenn das alles ist, was du bist? Was passiert in der Welt, wenn diese Definition die vorherrschende wird?

Ein Student: Stichwort: Geschlechtsidentität.

Imran Hussein: Ja, die Geschlechtsidentität spielt eine große Rolle für die Menschen heute, nicht?

Ein Student: Es ist fließend.

Imran Hussein: Genau, fließend. Was deine Identität betrifft, kannst du sein, was du willst, und werden, was du möchtest. Man sieht, wie das alles letztlich dazu geführt hat, wo wir heute stehen. Die Modernisten – wie wir schon gesagt haben – versuchen immer noch, bestimmte Regeln und Grenzen aufrechtzuerhalten. Sie sagen: „Wir sind intelligente Tiere, wir sind Menschen“, und belassen es dabei.

Aber die Postmodernisten und Vertreter der New-Age-Bewegung sehen das anders. Für sie gibt es keine festen Grenzen. Du kannst sein, was auch immer du sein möchtest. Möchtest du ein Stern sein? Sei ein Stern. Möchtest du eine Wolke sein? Sei eine Wolke. Möchtest du ein Tier sein? Wähle einfach ein Tier aus, das du sein möchtest. Es ist absurd. Du möchtest ein Tisch oder ein Stuhl sein? Nur zu, sei, was du willst. Es ist wirklich verrückt, wenn man darüber nachdenkt.

Wir müssen das jetzt nicht tiefer erörtern, aber man kann deutlich erkennen, wohin diese Entwicklung führt, wenn wir diesen Kurs weiterverfolgen. Es ist beunruhigend, wenn man ernsthaft darüber nachdenkt.

Ein Student: Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen Tier und Mensch.

Imran Hussein: a, und dann gibt es noch die Bewegung des Transhumanismus. Ein Bruder, der im Bereich der Künstlichen Intelligenz arbeitet, könnte uns wahrscheinlich mehr dazu sagen. Diese ganze Idee, Biologie mit Technologie und Maschinen zu verschmelzen, wird immer präsenter.

Ein Student: Ja, genau, sie arbeiten auch an digitalen Zwillingen von Menschen. Im Grunde genommen wäre das eine digitale Kopie von dir selbst, die theoretisch alles tun könnte, was du willst.

Imran Hussein: Genau. Und heutzutage lassen sich Menschen tatsächlich bereits Chips implantieren. Ich glaube, Elon Musk hat kürzlich mit einem Projekt begonnen, bei dem sie Chips direkt in das Gehirn von Menschen implantieren.

Ein Student: Neurolink.

Imran Hussein: Genau, Neurolink. Aber es gibt auch andere, die sich Chips in die Hände einsetzen lassen oder Magnete implantieren, all diese seltsamen Dinge, um den Menschen quasi zu ‚verbessern‘ oder die menschliche Rasse zu ‚erweitern‘. Manche Menschen glauben sogar, dass dies die nächste Stufe der Evolution der Menschheit ist – der techno-menschliche Zustand. Es ist wirklich verrückt.

Die Krise der Moral

Wir reden hier gerade nicht darüber, was richtig oder falsch ist, sondern betrachten einfach den Verlauf, wohin sich all das entwickelt. Wenn man sich von Gott und der Offenbarung abwendet, wird das Spielfeld völlig offen. Alles ist möglich. Aus diesem Grund sollte man von diesen Entwicklungen nicht wirklich überrascht sein. Besorgt zu sein, ist natürlich eine andere Sache, aber überrascht? Nein, das braucht man nicht, wenn man sieht, wie sich alles zu diesem Punkt entwickelt hat. Dasselbe gilt für Moral. Was würdet ihr sagen, ist die aktuelle Krise der Moral?

Ein Student: „Geschlecht.“

Imran Hussein: „Ja. Identität ist eine große Sache für die Menschen, oder?“

Ein Student: „Es ist fließend.“

Imran Hussein: „Ja, es ist fließend. Deine Identität ist nicht mehr festgelegt – du kannst sein, was du sein möchtest. Du kannst werden, was du werden willst. Man sieht, wie diese Denkweise uns letztlich zu dem geführt hat, wo wir heute stehen. Die Modernisten, wie wir bereits erwähnt haben, versuchen immer noch, einige Regeln und Grenzen aufrechtzuerhalten. Sie sagen einfach: ‚Wir sind intelligente Tiere, wir sind Menschen‘ – und dabei belassen sie es.

Aber die Postmodernisten und Vertreter der New-Age-Bewegung sehen das anders. Für sie gibt es keine festen Grenzen. Du kannst sein, was auch immer du sein möchtest. Möchtest du ein Stern sein? Sei ein Stern. Möchtest du eine Wolke sein? Sei eine Wolke. Möchtest du ein Tier sein? Wähle einfach ein Tier aus, das du sein möchtest. Es ist absurd. Du möchtest ein Tisch oder ein Stuhl sein? Nur zu, sei, was du willst. Es ist wirklich verrückt, wenn man darüber nachdenkt.“

„Wir müssen das jetzt nicht tiefer erörtern, aber man kann deutlich erkennen, wohin diese Entwicklung führt, wenn wir diesen Kurs weiterverfolgen. Es ist beunruhigend, wenn man ernsthaft darüber nachdenkt.“

Ein Student: „Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen Tier und Mensch.“

Imran Hussein: „Ja, und dann gibt es noch die Bewegung des Transhumanismus. Ein Bruder, der im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) arbeitet, könnte uns wahrscheinlich mehr dazu sagen. Diese ganze Idee, Biologie mit Technologie und Maschinen zu verschmelzen, wird immer präsenter.“

Ein Student: „Ja, genau, sie arbeiten auch an digitalen Zwillingen von Menschen. Im Grunde genommen wäre das eine digitale Kopie von dir selbst, die theoretisch alles tun könnte, was du willst.“

Imran Hussein: „Genau. Und heutzutage lassen sich Menschen tatsächlich bereits Chips implantieren. Ich glaube, Elon Musk hat kürzlich mit seinem Projekt Neurolink begonnen, bei dem sie Chips direkt in das Gehirn von Menschen implantieren.“

Ein Student: „Neurolink.“

Imran Hussein: „Ja, genau. Aber es gibt auch andere, die sich Chips in die Hände einsetzen lassen oder Magnete implantieren, all diese seltsamen Dinge, um den Menschen quasi zu ‚verbessern‘ oder die menschliche Rasse zu ‚erweitern‘. Manche Menschen glauben sogar, dass dies die nächste Stufe der Evolution der Menschheit ist – der techno-menschliche Zustand. Es ist wirklich verrückt.“

„Wir reden hier gerade nicht darüber, was richtig oder falsch ist, sondern betrachten einfach den Verlauf, wohin sich all das entwickelt. Wenn man sich von Gott und der Offenbarung abwendet, wird das Spielfeld völlig offen. Alles ist möglich. Aus diesem Grund sollte man von diesen Entwicklungen nicht wirklich überrascht sein. Besorgt zu sein, ist natürlich eine andere Sache, aber überrascht? Nein, das braucht man nicht, wenn man sieht, wie sich alles zu diesem Punkt entwickelt hat. Dasselbe gilt für Moral. Was würdet ihr sagen, ist die aktuelle Krise der Moral?“

Ein Student: Die Moral ist völlig ins Extreme gerutscht, sie bewegt sich jetzt in Richtung eines radikalen Hedonismus.

Imran Hussein: Ja, aber was genau ist das Problem? Warum ist das eine Krise? Warum können Menschen nicht einfach ihre eigene Moral, ihre eigenen Regeln und ethischen Prinzipien schaffen? Wir sind doch intelligent, oder? Wo liegt also das Problem?

Ein Student: Weil Menschen, je mehr Freiheit sie bekommen, desto mehr Chaos verursachen. Wenn man sich die großen Reiche anschaut, wie das Römische oder das Persische Reich, hatten die Menschen anfangs eine besondere Dynamik, sie waren angetrieben. Aber als sie erfolgreich wurden, übernahm der Hedonismus, und das führte letztendlich zum Zusammenbruch. Es ist wie ein wiederkehrender Zyklus in der Geschichte. Wir erleben jetzt den Niedergang des westlichen Imperiums aus genau denselben Gründen. Es scheint ein Muster zu sein, das sich ständig wiederholt.

Imran Hussein: Ja, absolut. Luxus, Wohlstand und Macht können ohne Zweifel korrumpieren. Aber schauen wir uns die grundlegenden Prinzipien von Moral und Ethik an.

Ein Student: Es ist nicht intrinsisch kohärent, einfach zu sagen, etwas sei gut oder schlecht, nur weil wir intelligent sind und es so festlegen. Denn selbst wenn jemand intelligent ist, warum sollte ich seiner moralischen Einschätzung mehr Glauben schenken als der einer weniger intelligenten Person? Warum macht die Intelligenz einer Person ihre Moral objektiver oder verbindlicher?

Imran Hussein: Genau, das ist das Kernproblem. Ohne Gott oder Offenbarung bleibt Moral subjektiv. Es wird zu einem bloßen Austausch von Meinungen: die Idee einer Person gegen die einer anderen. Stell dir folgendes hypothetisches Szenario vor: Eine Person sagt, „Es ist eine gute Sache, jeden Dienstag alte Männer über 70 zu entführen.“ Eine andere Person sagt, „Nein, das ist schlecht.“ Wer hat jetzt recht?

Ein Student: Es ist wie bei Regeln und Vorschriften, zum Beispiel den Polizeigesetzen. Es gibt bestimmte Regeln und Gesetze. Wenn jeder seine eigenen Gesetze macht, wie soll dann eine Gesellschaft funktionieren?

Imran Hussein: Ja, genau. Man braucht Autorität, das ist ein Aspekt.

Derselbe Student: Ja, es sollte eine zentrale Instanz geben, die moralische Richtlinien vorgibt, und die Menschen sollten sich danach richten. Wenn jeder seine eigenen Regeln und Gesetze schafft, wird die Gesellschaft nicht funktionieren.

Imran Hussein: Okay, das ist ein guter Punkt. Lass uns diesen Gedankengang weiterverfolgen. Du sagst also, es sollte eine Autorität geben, die entscheidet. Denn wenn jeder selbst entscheidet, was richtig und falsch ist, führt das zu Chaos. Aber welche Probleme bleiben trotzdem bestehen, wenn, sagen wir, eine Gruppe von Menschen zusammenkommt, um zu entscheiden?

Ein Student: Wem vertraut man? Selbst die Autorität wäre begrenzt.

Ein anderer Student: Die Frage nach Richtig und Falsch bleibt immer noch bestehen.

Imran Hussein: Genau, selbst wenn 10 oder 100 Menschen zusammenkommen, bleibt alles subjektiv. Es hängt immer noch vom Menschen ab. Du könntest zum Beispiel eine Gruppe in Großbritannien haben, die zu einer bestimmten moralischen Schlussfolgerung kommt, und eine Gruppe in Asien, die unter denselben Bedingungen und mit derselben Anzahl von Menschen zu einer völlig anderen moralischen Schlussfolgerung kommt. Wer hat recht, wer liegt falsch? Das Problem bleibt bestehen, weil es keinen objektiven Anker gibt. Alles ist subjektiv.

Es geht nicht darum, dass Menschen keine Anstrengungen unternehmen können oder manchmal die richtige Entscheidung treffen. Natürlich können sie das. Aber der entscheidende Punkt ist, dass man diese Entscheidungen nicht objektiv begründen kann – es ist schlicht unmöglich, eine objektive Grundlage zu schaffen. Alles bleibt subjektiv.

Es gibt ein sehr interessantes Zitat von Darwin – mal sehen, ob ich es finde –, wo er darüber spricht, dass wir, wenn wir unter denselben Bedingungen wie die Bienen in einem Bienenstock aufgewachsen wären, eine völlig andere Moralvorstellung hätten.

Wenn Männer unter denselben Bedingungen wie Bienen aufgezogen worden wären, dann würden unverheiratete Frauen es als ihre Pflicht betrachten, ihre Brüder zu töten, und Mütter würden versuchen, ihre fruchtbaren Töchter zu töten, und niemand würde das in Frage stellen.

Was Darwin hier im Wesentlichen zeigt, ist, dass Moral, wenn sie auf Evolution basiert, nicht objektiv sein kann. Sie wird zu einem bloßen Produkt der Evolution und ist somit ständigem Wandel unterworfen. Es gibt ein häufig vorgebrachtes Argument, dass Moral sich im Zuge der Evolution entwickelt hat. Aber wenn das stimmt, ist sie immer noch nicht objektiv, weil sie von der Evolution abhängt und sich weiter verändern wird.

In seinem Beispiel erklärt Darwin, dass, wenn wir unter bestimmten Bedingungen aufgewachsen wären, wir Dinge wie das Töten von fruchtbaren Töchtern oder Brüdern als völlig normal und akzeptabel betrachten würden – niemand würde daran etwas Falsches sehen. Das zeigt, dass Moral in diesem Kontext genauso wandelbar ist wie unsere Fingernägel, Haare oder unser Körper, die sich ebenfalls im Laufe der Evolution verändern. Moral würde sich mit der Evolution weiterentwickeln und könnte niemals als objektiv gelten, sondern wäre immer nur ein Produkt des evolutionären Prozesses.

Das sieht man auch im liberalen Diskurs, wo keine einheitlichen Standards existieren, da unterschiedliche Formen des Liberalismus jeweils ihre eigenen moralischen Perspektiven vertreten. Alles bleibt subjektiv. Ohne Gott, Religion oder Offenbarung fehlt es an einer objektiven Grundlage für Moral, und genau das ist ein gravierendes Problem.

Daher sieht man auch, wie sich moralische Vorstellungen im Laufe der Zeit verändern. Dinge, die heute als moralisch gut oder richtig angesehen werden, galten vor zehn Jahren noch als falsch. Und ich bin überzeugt, dass in den nächsten zehn Jahren Dinge, die wir heute als schlecht betrachten, dann als akzeptabel oder sogar gut angesehen werden könnten.

Ein Beispiel dafür ist Lawrence Krauss in seiner Debatte mit Hamza. Vielleicht erinnert ihr euch daran. Hamza stellte ihm die Frage nach Inzest, und man konnte sehen, wie Krauss das Ganze einfach rationalisierte. Es war absurd. Er argumentierte sinngemäß, dass, solange es Einvernehmen gibt und kein Schaden oder keine Verletzung entsteht, er nichts Falsches daran sehe.

Das zeigt zwei Dinge: eine Moralvorstellung und diese menschliche – wie könnte man sagen – „Anhaftung“ oder „Bindung“ an diese Moralvorstellung. Es gibt zum Beispiel Themen wie Inzest, die den meisten Menschen von Natur aus widerlich erscheinen. Man fühlt intuitiv, dass es falsch ist. Es gibt eine emotionale und moralische Abwehrhaltung. Doch was in der Gesellschaft passiert, ist Folgendes: Wenn solche Themen wie Inzest zur Sprache gebracht werden – wie in Krauss’ Debatte vor etwa 9 oder 10 Jahren – gab es damals eine enorme Empörung. Würde heute jemand das gleiche Thema aufgreifen, würde es mich nicht überraschen, wenn die Reaktionen weniger schockiert oder empört ausfallen würden. Das liegt daran, dass sich mit der Zeit, wenn es keine festen moralischen Maßstäbe gibt, die gesellschaftlichen Normen verschieben. Regeln ändern sich allmählich, und die Menschen gewöhnen sich daran. Es wird normalisiert, weil der Mensch dazu neigt, sich anzupassen. Was heute abstoßend erscheint, wird mit der Zeit akzeptiert – genau wie viele Dinge, die vor 10, 15 oder 20 Jahren noch als abscheulich galten und heute gesellschaftlich akzeptiert werden.

Das führt zu einer grundlegenden Frage: Wohin führt das alles? Wie weit wird diese Entwicklung gehen? Und wo wird das letztendlich enden?

Der Grund für den Untergang von Zivilisationen

Wir müssen an dieser Stelle vielleicht nicht unsere persönlichen Meinungen dazu äußern. Aber es ist wichtig, die zugrunde liegenden Probleme zu erkennen. Und wie der Bruder Tariq erwähnt hat: Wenn man die großen Zivilisationen der Vergangenheit betrachtet, sieht man wiederkehrende Muster. Warum sind sie zusammengebrochen? Luxus, Maßlosigkeit und moralischer Verfall waren häufig die Hauptursachen. Diese Elemente führten zu einem moralischen Verfall, und wenn eine Zivilisation moralisch verfällt, führt das letztlich zu ihrem Untergang.

Ein Student: Während des Römischen Reiches gab es einen General – nicht in den Anfängen, sondern später –, der Syrien eroberte, das zur reichsten Provinz Roms wurde, bevor Ägypten hinzukam. Es handelte sich um Kato den Älteren, und sein Badezimmer war so klein wie eine Telefonzelle, lediglich mit einem kleinen Loch in der Wand. Dieser große General arbeitete sogar selbst auf den Feldern. Doch 100 bis 200 Jahre später hatten dieselben Generäle Badezimmer, die so groß waren wie ganze Stadtbezirke. Sie wandelten sich von stoischen, starken und disziplinierten Männern zu Menschen, die dem Luxus verfielen. Am Ende waren sie nicht mehr in der Lage, zu kämpfen, und mussten Söldner anheuern. Die germanischen Völker wurden die Soldaten Roms, und schließlich brach das Reich durch seinen übermäßigen Luxus in sich zusammen.

Ein anderer Student: Ich denke, etwas Ähnliches ist auch bei den Muslimen passiert.

Imran Hussein: Ja, wenn man es analysiert und einen Blick auf die islamische Geschichte wirft, sieht man, dass viele Faktoren zum Niedergang des muslimischen Reiches beigetragen haben. Aber welche Hauptthemen oder Schlüsselfaktoren würdet ihr als entscheidend betrachten? Was denkt ihr, waren die Ursachen?

Ein Student: Die Liebe zur Dunya.

Ein anderer Student:  Ja, genau, die Dunya. Hasan al-Basri, der während der Umayyaden-Dynastie lebte, sprach darüber, wie die damaligen Führer sich zunehmend den weltlichen Dingen hingaben. Sie begannen, Musiker, Frauen und Alkohol in ihre Paläste zu bringen und allerlei unrechtmäßige Dinge zu tun. Ich glaube, später gab es nur einen Führer, der versuchte, das zu ändern, und das war – wenn ich mich nicht irre – Umar ibn Abdulaziz, der zweite Umar. Er brachte viele Reformen, doch er wurde getötet, da die Menschen jener Zeit alle wieder zu ihrem luxuriösen Lebensstil zurückkehren wollten.

Ein weiterer Student: Es gibt auch eine Geschichte über Umar ibn al-Khattab. Die Muslime hatten zu jener Zeit Macht erlangt und kämpften an verschiedenen Fronten gegen die Perser und Römer. Einer der Sahaba, Amr ibn al-‘As, war in Ägypten im Einsatz, um es zu befreien. Doch der Feldzug dauerte länger als gewöhnlich. Man muss bedenken, dass die Muslime zu jener Zeit weder viele Ressourcen noch große Stärke hatten. Dennoch dauerte es ungewöhnlich lange, Ägypten zu erobern. Umar ibn al-Khattab schickte Amr eine Nachricht und schrieb sinngemäß: „Ich habe die Befürchtung, dass das weltliche Leben in dein Herz eingedrungen ist. Warum dauert es so lange?“

Das war eine Zeit, in der, wie gesagt, die Muslime kaum Mittel hatten, und dennoch sah Umar die Ursache der Verzögerung in der möglichen Verhaftung Amrs an die Dunya, an das Weltliche. Amr antwortete ihm, dass er mehr Männer brauche. Umar schickte ihm daraufhin vier Männer und sagte: „Jeder von ihnen ist so viel wert wie tausend.“ Kurz darauf wurde Ägypten erfolgreich erobert.

Aber ja, letztendlich liegt der Grund für das Scheitern oft darin, ein materialistisches Leben zu führen – oder anders gesagt: Wenn man zu viel Wert auf das irdische Leben legt.

Imran Hussein: SubhanAllah, das ist wirklich ein kraftvoller Punkt. Allein die Tatsache, dass Umar vier Männer schickte, von denen er sagte, dass jeder so viel wert sei wie tausend, zeigt, wie damals Menschen definiert wurden – was einen Mann wirklich ausmachte. Es waren nicht ihre materiellen Besitztümer, nicht ihr Reichtum oder die prächtigen Kamele, die sie ritten, die sie auszeichneten. Was sie ausmachte, war ihre Stärke, ihr Charakter, ihre Verbindung zu Allah. Und das führt uns zu einer sehr tiefgründigen Frage: Wo ist die Ehre heutzutage, Bruder? Und ich meine nicht einmal die Nichtmuslime – selbst unter einigen muslimischen Brüdern scheint die Ehre verloren gegangen zu sein. Es ist wirklich traurig, Bruder.

Ein Student: Ja, das ist es wirklich. Es ist, als ob die Ehre gestorben wäre. Leider haben wir uns von dem entfernt, was ich „die alte Art“ nenne. Alhamdulillah, es gibt immer noch einige Regionen auf der Welt, in denen Menschen nach Prinzipien und Regeln leben. Und wenn man sich fragt, warum bestimmte Regionen immer wieder starke und standhafte Männer hervorbringen, dann liegt es daran, dass sie seit Jahrhunderten unter denselben harten Bedingungen leben und dadurch diszipliniert und widerstandsfähig geblieben sind. Aber leider hat sich die Mehrheit der Menschen von dieser alten Art entfernt. Es ist wirklich ein trauriger Zustand.

Das Problem der Jugend & zurück zu echten Vorbildern

Imran Hussein: Es geht um Substanz, oder? Und die Substanz, die Essenz, ist verloren gegangen. Leider betrifft das auch viele Muslime heutzutage. Diese Konzepte, über die wir sprechen, sind so wichtig, und ich denke, es ist eine Diskussion, die wir vertiefen müssen. Vielleicht nehmen wir uns jetzt ein paar Minuten Zeit, um das abzuschließen, denn nächste Woche beginnen wir, den Islam als Lösung und als Gegenmittel für diese Krisen zu betrachten.

Das wird zwei Ebenen umfassen: Erstens, wie der Islam diese Krisen beantwortet und die Menschen aus ihnen herausführt. Und zweitens, wie man heute als Muslim in unserer modernen Welt leben kann und was es bedeutet, ein Muslim zu sein.

Einige der Qualitäten, die wir wiederentdecken müssen, sind genau die Dinge, die die großen Männer der Vergangenheit ausmachten: eine tiefe Verbindung zu Allah, das Nichtjagen nach der Dunya. Der Prophet (ﷺ) erwähnte Wahn – die Liebe zur Dunya und die Angst vor dem Tod. Die Dunya ist ein zentrales Thema, das korrumpiert, verlangsamt und Gesellschaften sowie Individuen zerbrechen lässt.

Das ist ein faszinierender Punkt, denn wenn du dir das moderne säkulare System ansiehst, dann siehst du, dass eines seiner Hauptziele darin besteht, dich auf die Dunya zu fixieren, auf das Materielle. Es versucht, dich dazu zu bringen, dass du dich darin verlierst. Es will nicht, dass du über Ethik, Moral oder Ehre nachdenkst. Du sollst dich einfach nur amüsieren, dein Leben genießen, erfolgreich sein, Reichtum anhäufen – all diese Dinge.

Aber wenn du dir ansiehst, was der Islam lehrt, was ein Muslim oder ein Mumin – ein Gläubiger – ist, dann ist das nicht nur jemand, der an Allah glaubt und fünfmal am Tag betet. Der Inbegriff eines Muslims ist der Prophet (ﷺ), seine Gefährten und die, die ihnen folgten. Wenn du ihr Leben studierst, siehst du, dass sie veredelte Persönlichkeiten waren. Sie waren Menschen von Ehre, Tugend, Moral, Ethik und Prinzipien. Sie hatten eine echte Liebe und Sorge füreinander und für ihre Gemeinschaft.

Es gibt eine Geschichte über einen Führer aus der Vergangenheit und eine alte Frau, die ihren Sohn nicht ernähren konnte. War das nicht Umar?

Ein Student: Ja, das war Umar.

Imran Hussein: Und er trug die Lebensmittel selbst, ohne jemanden um Hilfe zu bitten, weil er wusste, welche Verantwortung er als Anführer trug. Das waren die Führer der Vergangenheit – Menschen, die ihre Verantwortung wirklich verstanden.

Es gibt so viel, was wir aus diesen Geschichten lernen können. Gleichzeitig müssen wir uns fragen, wie wir diese Prinzipien für uns selbst und insbesondere für unsere Jugend wiederbeleben können. Denkt darüber nach, in welchem Zustand sich unsere Jugend heute befindet, ganz allgemein gesagt. Einerseits ist es die Weltanschauung, die sie einhüllt – eine, die sie auf die Dunya, die weltlichen Dinge, fixiert und sie dazu bringt, alles andere zu vergessen. Andererseits leben wir in einer Zeit der sofortigen Befriedigung. Die Menschen wollen keine Anstrengungen mehr unternehmen, sind nicht bereit, Opfer zu bringen, hart zu arbeiten oder schwierige Herausforderungen zu bewältigen.

Das Zeitalter des Internets und der Technologie hat alles darauf ausgelegt, den Menschen das Leben zu erleichtern. Doch die Kehrseite ist, dass viele dadurch träge geworden sind. Denkt einmal über den durchschnittlichen Lebensstil eines 16- oder 18-Jährigen nach: Schule, Zocken, ein wenig Zeit mit Freunden verbringen, vielleicht Limonade trinken, Social Media durchscrollen und dann schlafen. Und am nächsten Tag wiederholt sich das Ganze. Immer wieder, Tag für Tag, in einer Endlosschleife.

Ein Student: Und selbst Freunde – wenn sie überhaupt Freunde haben, ist das heutzutage schon etwas Besonderes.

Imran Hussein: Genau. Die meisten Jugendlichen haben heutzutage nicht einmal mehr echte soziale Kontakte. Alles passiert über Bildschirme, über Smartphones.

Schaut euch die Generation Z und die Generation Alpha an. Ich meine, die Millennials waren schon problematisch genug, aber jetzt verbringen die meisten Menschen den Großteil ihres Lebens vor einem Bildschirm. Und das führt zu einer falschen Realität, Bruder. Denn in dieser digitalen Welt sind die Beziehungen nicht wirklich echt. Du siehst nur Worte oder Kommentare auf einem Bildschirm, und wer weiß, vielleicht ist es sogar eine KI, die das schreibt, und du würdest es nicht einmal bemerken, weil du keine echte Interaktion mit einer Person hast.

Zweitens entsteht ein völlig verzerrtes Bild davon, was ein „gutes Leben“ bedeutet. Schau dir diese berühmten YouTuber an, die schnelle Autos fahren und ein scheinbar perfektes Leben führen. Aber in Wirklichkeit ist ihr Leben oft ganz anders, als es dargestellt wird. Viele von ihnen sind deprimiert, manche kämpfen mit Suizidgedanken, und einige sterben sogar daran. Doch die Fassade, die sie präsentieren, suggeriert der Jugend: „So ein Leben solltest du führen.“ Und wenn diese Jugendlichen dann – wie es meistens der Fall ist – nicht in der Lage sind, ein solches Leben zu erreichen, werden sie depressiv.

Dazu kommt noch, dass viele Jugendliche Bestätigung durch Likes und Shares suchen. Ihr Selbstwertgefühl hängt davon ab, wie viele Menschen ihre Beiträge liken oder teilen, was die Sache nur noch schlimmer macht.

Ein Student: Es gab diesen Fall eines Popstars, der betrunken oder unter Drogeneinfluss von einem Balkon gefallen ist.

Ein anderer Student: Liam Payne.

Derselbe Student: Ja, genau der. Das ist erst vor kurzem passiert.

Imran Hussein: Das ist so tragisch. Und genau das ist die Art von Inhalten, die unsere Jugend konsumiert. Denkt daran: Unsere muslimische Jugend schaut sich genau denselben Inhalt an wie die nichtmuslimische Jugend. Sie sind von diesen Einflüssen nicht ausgenommen; sie konsumieren denselben Kram online.

Ein Student: Und das Problem ist auch die Krise der Vorbilder. In der heutigen Zeit haben wir keine lebenden Vorbilder, denen unsere muslimische Jugend folgen kann. Sie folgen all diesen „Vorbildern“ wie Ronaldo und so weiter. Wir haben nur sehr wenige wie Mohamed Salah1 und ähnliche. Aber warum haben wir keine Vorbilder? Warum schauen wir nicht zu unseren eigenen Vorbildern auf? Wir sollten Menschen in all diesen Bereichen haben – wir sollten unseren eigenen Elon Musk haben.

Imran Hussein: Das ist eine Diskussion, die wir unbedingt vertiefen sollten. Es ist wirklich interessant, darüber nachzudenken, warum junge Menschen solchen Persönlichkeiten folgen. Es gibt offensichtlich etwas, das sie darstellen oder ausstrahlen, das diese jungen Menschen anspricht und sie auf eine bestimmte Weise fesselt.

Ein Student: Alhamdulillah, es gibt jedoch positive Beispiele. Die Kämpfer aus dem Kaukasus, wie Khabib Nurmagomedov oder Hamza Chimaev, sind großartige Vorbilder. Die Menschen fühlen sich zu ihnen hingezogen, und wenn man ihr Leben betrachtet, erkennt man, dass sie stoisch, diszipliniert und ehrenhaft sind.

Ein anderer Student: Sie sind religiös und fromm.

Derselbe Student: Es gab diesen einen Boxer, der nach einem Meisterschaftssieg als erstes in die Moschee gegangen ist, um zu beten. Das war das erste, was er nach seinem Sieg gemacht hat.

Imran Hussein: Zumindest gibt es einige gute Dinge.

Ein Student: Es gibt einige gute Vorbilder, die nachzügeln, Alhamdulillah.

Ein anderer Student: Wir sollten aber noch mehr haben – Vorbilder in verschiedenen Bereichen, sei es im Sport, in der Wissenschaft oder in der Technologie.

Abschluss

Imran Hussein: Das sind wichtige Diskussionen, die wir in den nächsten Sitzungen weiterführen werden. Wir haben die Geschichte beleuchtet, warum wir an diesem Punkt stehen, und die Krisen analysiert, die sich daraus ergeben. Jetzt ist es an der Zeit, zu betrachten, wie der Islam eine Lösung bietet. Es ist jedoch eine Sache, zu wissen, dass Allah uns die Antworten gegeben hat und dass es keine Krise mehr geben muss, und eine ganz andere Sache, nach diesen Antworten tatsächlich zu leben. Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Wissen, dass Allah dich erschaffen hat, um Ihn anzubeten, und der tatsächlichen Umsetzung dieser Anbetung.

Ich denke, das größere Problem, das viele Menschen haben – und beide Aspekte sind wichtig –, ist erstens, dass sie dieses Wissen gar nicht erst besitzen. Selbst viele Muslime lernen den Islam nicht auf eine Art und Weise, die diese grundlegenden Fragen beantwortet. Zweitens, und das ist vielleicht noch schwerwiegender: Selbst wenn sie dieses Wissen haben, handeln viele nicht danach.

Denkt über Folgendes nach und reflektiert darüber bis zur nächsten Sitzung: Allah hat uns mitgeteilt, dass Er uns erschaffen hat, um Ihn anzubeten. Aber wenn jemand dieses Wissen hat und trotzdem nicht danach handelt – was sagt das über diese Person aus?

Ein Student: Sie widersetzt sich ihrem Schöpfer.

Imran Hussein: Ja, genau. Und es stellt die Frage, ob eine solche Person tatsächlich als Muslim bezeichnet werden kann, wenn sie Allah nicht anbetet.

Ein Student: Sie erfüllt ihren eigentlichen Sinn nicht.

Imran Hussein: Richtig. Und das bringt uns zu einem Punkt, den wir letztes Mal angesprochen haben: Das Stehen mit einem Fuß in diesem Boot und dem anderen Fuß in jenem Boot. Das muss aufhören. Als Muslim, auch wenn es schwer ist, kannst du nicht mit einem Fuß in der gottlosen, säkularen Lebensweise stehen und mit dem anderen Fuß in der religiösen Lebensweise. Dieser Widerspruch führt letztlich nirgendwo hin.

Ein Student: Solche Menschen haben mehr innere Konflikte als Nichtgläubige, weil ihre fitra sie immer wieder hinterfragt und dieser innere Konflikt entsteht.

Imran Hussein: Absolut. Genau das ist das Problem. Und das ist oft einer der Hauptgründe, warum Menschen mit Zweifeln den Islam verlassen. Ich habe schon mit vielen Muslimen zu tun gehabt, die irgendwelche Zweifel hatten, und es gibt ein wiederkehrendes Thema bzw. Muster: „Der Islam sagt, ich soll dies tun, aber ich will etwas anderes tun, was im Widerspruch dazu steht.“ Dieser innere Konflikt, den man Dissonanz nennt – oder spezifisch kognitive Dissonanz –, ist für die Psyche belastend. Menschen streben nach Ausgleich. Und in solchen Situationen gibt es zwei Wege: Der erste ist, zu erkennen, dass das, was man tut und genießt, falsch ist, und die Anstrengung zu unternehmen, damit aufzuhören und das Richtige zu tun. Das erfordert jedoch Einsatz und Opfer. Der zweite Weg, den leider die meisten Menschen wählen, ist der einfache Weg: Man macht weiterhin das Falsche, sucht nach Gründen, warum der Islam nicht wahr ist, und distanziert sich langsam vom Glauben. Oft passiert dies sogar unbewusst. Menschen beginnen, Ausreden zu finden, warum der Islam nicht wahr sein könnte, um das Unbehagen der kognitiven Dissonanz zu vermeiden, während sie weiterhin ihrer Lust und Bequemlichkeit nachgehen.

Das sind echte Probleme, die existieren und die viele Menschen betreffen. Wir werden diese Themen in der nächsten Sitzung noch weiter vertiefen. Möge Allah euch segnen. Jazakallahu khayran. Assalamu aleikum.

  1. ITV Anmerkung: Ob er wirklich ein Vorbild ist, sei mal dahingestellt, aber es geht der Person mehr darum, auf offensichtlich muslimische Personen mit großer Popularität aufmerksam zu machen, und er kam höchstwahrscheinlich auf ihn, weil er davor Ronaldo erwähnte.

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