In der Popkultur geht es nie nur um [schiere] Unterhaltung. Hinter ihrem scheinbar oberflächlichen Charakter verbirgt sich eine Art Symbolik, die viel über Zivilisation und Gesellschaft offenbart.

Nimm zum Beispiel die beliebten Archetypen des Vampirs und des Zombies. Sie gehören zu den gängigsten Tropen der Popkultur in der heutigen Zeit. Man findet sie überall – in Filmen, Fernsehsendungen, Videospielen, Büchern und sogar als Halloween-Kostüme.

Im Laufe dieses Artikels werden wir analysieren, inwiefern der Vampir Nostalgie für die Vormoderne darstellt, während der Zombie eine Kritik an der Postmoderne ist.

Der Vampir: Ein verlorener Adliger

So ziemlich jeder weiß wahrscheinlich inzwischen, was ein Vampir ist: ein fiktives böses Wesen, das sich von dem Blut (oder der Lebenskraft) seiner Opfer ernährt.

Alle Kulturen haben irgendeine Parallele zum Vampir, im vormodernen Europa und seinem Volksglauben jedoch hat sich das Bild des Vampirs gefestigt. Und ich glaube, dass das nicht ohne Grund so ist, denn der Vampir sagt tatsächlich etwas über die Moderne selbst aus.

Es gab zwar schon Romane und Gedichte, die ihm vorausgingen, doch unsere Vorstellung vom Vampir stammt hauptsächlich von „Graf Dracula“ aus Bram Stokers Gothic-Fiction-Klassiker Dracula (1897).

Graf Dracula ist dem Islam nicht völlig fremd. Seine Figur basiert auf Vlad dem Pfähler, dem rumänischen Fürsten aus dem 15. Jahrhundert, der mit dem Osmanischen Reich kämpfte. Er wurde so genannt, weil er die Angewohnheit hatte, seine Feinde aufzuspießen und, wie es im Volksmund heißt, sein Brot in ihre Seelen [ihr Blut] zu tauchen.

Im Namen von Vlads Vater kam [das Wort] „Dracul“ bzw. „Drache“ vor, da er dem Orden des Drachen angehörte, einer okkulten Organisation – manche würden sie als Geheimbund bezeichnen –, die den früheren Kreuzzügen nacheiferte und das Ziel hatte, das Osmanische Reich zu vernichten.

Wie dem auch sei, wir werden uns mehr auf die fiktive Figur des Grafen Dracula konzentrieren und darauf, was er über die Moderne aussagt. Als Graf ist er natürlich ein Adliger, was bedeutet, dass er zeitwidrig [unzeitgemäß] ist. Im 19. Jahrhundert, als Stoke seinen Roman veröffentlichte, war das vormoderne Europa der Adligen bereits von der französischen Revolution nach 1789 und ihrem Europa der Bourgeoisie abgelöst worden.

Daher lebt Dracula bei Nacht, denn er ist eine Figur, die das moderne Europa vertreiben will. Er ist der Adlige, jemand, der nach kapitalistischer Definition nicht „produktiv“ ist (dies im Gegensatz zu den Bürgern, die tagsüber arbeiten), ein bloßer Parasit, der sich von den Massen ernährt (so wie der Vampir das Blut der zumeist armen Bauern aussaugt).

Aber gerade die Tatsache, dass Dracula vormodern und ein Adliger ist, macht ihn in den Augen der Menschen attraktiv. Dracula wird von Schauspielern wie Christopher Lee (1922-2015) verkörpert und ist immer eine große und imposante Person mit bemerkenswerten Manieren und einer ausgeschmückten [hohen] Sprache, die ihn als überlegen darstellt.

Es ist, als ob das moderne und bürgerliche Europa durch die Figur des Dracula eine Sehnsucht nach dem vormodernen und vornehmen Europa hätte. Sie müssen ihn unbedingt verteufeln, sonst wären sie im Grunde Verräter an der Moderne (insbesondere an ihrem liberalen Egalitarismus und kapitalistischen Produktivismus). Dennoch gestehen sie ihm eine gewisse Überlegenheit zu, da Dracula immer noch traditionelle Eigenschaften besitzt.

Das ist wahrscheinlich der Grund, warum sich der Vampir in unserer Zeit der Postmoderne zu einer positiven Figur entwickelt hat. Es begann mit Roman Polanskis Film The Fearless Vampire Killers (1967), in dem Vampire im Grunde als kultivierte Mitglieder der High Society vermenschlicht werden. Und in den letzten Jahren gibt es die Twilight-Romanreihe (die später verfilmt wurde), die im Grunde eine Fantasy-Romanze für Teenager ist.

Man könnte unzählige solcher Beispiele finden. Aber der Punkt ist, dass Dracula selbst in der Hochmoderne, als er verteufelt wurde, [immer noch] eine Art Faszination ausübte. Und jetzt, in der Postmoderne, ist der Vampir sogar etwas Glamouröses geworden… auf Kosten des Zombies.

Der Zombie: Ein hirnloser Verbraucher

Während der Vampir fast vermenschlicht wurde, ist der Zombie das beliebteste Horror-Sprachbild geworden – seit George Romeros Film Night of the Living Dead (1968) basieren einige der beliebtesten Filme, Fernsehsendungen und sogar Videospiele auf Zombies.

Nach unserer Analyse ist es kein Zufall, dass die Zombie-Figur vor allem in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts aufkam, die von Sozialkritikern wie Guy Debord, Jean Baudrillard und anderen als Übergang von der Produktions- zur Konsumgesellschaft betrachtet wurde. Während der Vampir dafür kritisiert wurde, im Zeitalter der Produktion unproduktiv zu sein, wird der Zombie andererseits dafür kritisiert, das Zeitalter des Massenkonsums zu repräsentieren.

Wie der Zombie ist auch der Konsument im Spätkapitalismus oder in der Postmoderne hirnlos und wird nur von seiner Lust auf das bewegt, was ihm selbst fehlt – der Körper im Allgemeinen und das Gehirn im Besonderen.

In gleicher Weise folgt auch der Verbraucher dieser Dynamik:

Selbst wenn er ein bestimmtes Produkt hat, will er die neueste Version desselben Produkts, nur weil jemand anderes es hat. Und dieses Produkt ist in der Regel nur eine kleine Verbesserung des Vorgängers (man denke nur an die vielen iPhones, die kurz hintereinander auf dem Markt erscheinen).

Die Postmoderne ist durch die Globalisierung gekennzeichnet. Es sei auch gesagt, dass die Zombie-Figur auf die haitianische Folklore zurückgeht, die wiederum auf dem spirituellen System des Voodoo in Benin basiert. Es gibt also auch eine gewisse Frühglobalisierung, denn ein solcher Religionstransfer konnte nur durch den transatlantischen Sklavenhandel möglich werden (sonst gäbe es keine schwarze Bevölkerung in Haiti).

In gewissem Sinne wurde der Zombie aus der Sklaverei geboren und ist auch ein Sklave. Er ist nicht in der Lage, aus eigenem Antrieb zu handeln, und wir würden sagen, dass es dem Verbraucher genauso geht: Er handelt nicht aus eigenem Antrieb, sondern aufgrund von Wünschen, die ihm von Marketingagenturen und Werbung aufgezwungen werden.

Und während der Vampir oft als Einzelgänger dargestellt wird, kommen Zombies immer in Horden. Das liegt daran, dass das Konsumverhalten auf einer Massenebene stattfindet. Es ist ein Massenritual in unserem demokratischen Zeitalter, in dem alles andere auch die Massen anzieht. Zombies haben keine Gruppensolidarität, wie man sie in einer Stammesgesellschaft beobachten kann. Es ist die Schafsmassenmentalität des demokratischen Zeitalters, die in Gustave Le Bons Klassiker der Soziologie und Psychologie The Crowd (1895) ausführlich beschrieben wurde.

Je mehr die Welt in der Postmoderne versinkt, desto relevanter wird der Zombie, denn jeder wird im Grunde zu einem Zombie, einem Nihilisten ohne Ziel und Zweck in seiner Existenz, sein Leben allein durch den Konsum lebend.

(Spez. Autor: Bheria)

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